Unternehmen aus dem Norden werden von nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) immer wieder beschuldigt, in Ländern des Südens von Hungerlöhnen, gefährlichen Arbeitsbedingungen, Umweltzerstörung, gewaltsamen Vertreibungen oder der Unterdrückung freier Gewerkschaften zu profitieren. Oft sind dafür nicht eigene Fabriken verantwortlich, sondern Tochterfirmen, Zulieferer, Geschäftspartner oder die örtliche Polizei – so, als in der südafrikanischen Platinmine Marikana 2012 ein Streik gewaltsam niedergeschlagen und 34 Arbeiter erschossen wurden. Hauptkunde der Mine war der deutsche Chemiekonzern BASF.
Verstöße gegen Menschen- und Arbeitsrechte kommen in der Textil- und Lederindustrie häufig vor, wo niedrige Löhne ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sind. Auch in der Agrarproduktion sind sie verbreitet, etwa Kinderarbeit im Kakaoanbau und Landvertreibungen für Sojafarmen. Doch auch High-Tech-Branchen wie die Auto- und Computerindustrie sind betroffen – vor allem indirekt wegen der nötigen Rohstoffe: Der Abbau geht im Süden oft mit Vertreibungen und Umweltschäden einher und geschieht zum Teil in Kriegsgebieten. Anfällig ist auch der Tourismus.
Inwieweit soll man für all das Unternehmen im Norden mitverantwortlich machen? International akzeptierte Grundsätze dafür hat der UN-Menschenrechtsrat 2011 als „Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“ verabschiedet. Danach müssen in erster Linie Staaten verhindern, dass auf ihrem Territorium Firmen Menschenrechte verletzen – was manche Regierungen nicht ausreichend können oder wollen.
Initiativen um Sorgfaltspflichten verbindlich zu machen
Doch es reicht nicht, wenn transnationale Unternehmen überall die Gesetze befolgen. Sie sind laut den Leitprinzipien auch selbst verantwortlich dafür, Menschenrechte nicht zu verletzen – auch nicht indirekt über Tochterfirmen, Zulieferer und Geschäftspartner. Inwieweit sie für deren Verfehlungen verantwortlich sind, hängt laut den Leitlinien davon ab, wie viel Einfluss sie auf diese tatsächlich ausüben. Die Unternehmen sollen eine öffentlich zugängliche Strategie zum Schutz der Menschenrechte formulieren, Risiken für Verstöße in ihren weltweiten Geschäften beobachten, ihnen gegebenenfalls vorbeugen und einen wirksamen Beschwerdemechanismus für Geschädigte schaffen.
Das sind Empfehlungen. Es gibt jedoch eine Reihe von Initiativen, Sorgfaltspflichten verbindlich zu machen. Die Gesetze dazu vergleicht die Friedrich-Ebert-Stiftung in einer Studie vom September 2019. Viele sind auf einzelne Aspekte des Problems beschränkt – etwa Mineralien, an denen Kriegsparteien verdienen: In den USA müssen nach dem Dodd-Frank-Act aus dem Jahr 2010 Firmen vorsorgen, keine solchen Mineralien aus der Region Afrika der Großen Seen zu verwenden. Die Europäische Union (EU) verlangt für Konfliktmineralien unabhängig von der Herkunft besondere Sorgfaltspflichten. In Großbritannien ist gesetzlich festgelegt, dass große Unternehmen aller Branchen Schritte gegen Sklaverei und Zwangsarbeit in ihren Lieferketten ergreifen und darüber berichten müssen; in den Niederlanden ist Ähnliches für Kinderarbeit vorgeschrieben.
Am umfassendsten ist bisher das französische Gesetz über Sorgfaltspflichten von 2017: Es erlegt großen Firmen aller Branchen Pflichten auf, um Verstöße gegen die Menschenrechte, den Umweltschutz und den Arbeitsschutz in ihren Lieferketten zu verhindern. Gerichte können dem mit Ordnungsgeld Nachdruck verleihen und bei Verstößen sind Klagen auf Schadenersatz möglich.
In Deutschland läuft eine breite Kampagne für ein ähnliches Gesetz, das Arbeits- und das Entwicklungsministerium arbeiten an einem Entwurf. In der Schweiz hat die vor fünf Jahren lancierte Konzernverantwortungsinitiative einen Gesetzestext vorgeschlagen, der 2020 zur Volksabstimmung kommen könnte – es sei denn, das Parlament einigt sich noch auf eine für die Initiative akzeptable Alternative, wie die große Kammer sie vorgelegt hat. In Österreich liegt seit 2018 eine Gesetzesinitiative gegen Kinder- und Zwangsarbeit vor, findet aber im Parlament keine Mehrheit.
Wie weit Sorgfaltspflichten die Probleme lösen, ist nicht ganz klar. Insbesondere ist fraglich, ob sie niedrige Erzeugerpreise steigern können – ein Kernproblem bei Agrarprodukten und manchen Rohstoffen. Eine Studie des European Centre for Development Policy Management (ECDPM) von Ende 2019 betrachtet neben Sorgfaltspflichten fünf weitere Möglichkeiten, in der Textilbranche Europas für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen: Mindeststandards, Zölle und Zertifikate für importierte Textilien; freiwillige oder verpflichtende Angaben zur Nachhaltigkeit auf einem Etikett; Anreize etwa im Rahmen öffentlicher Aufträge; Multi-Stakeholder-Initiativen wie das deutsche Textilbündnis; und Förderung mittels Entwicklungszusammenarbeit. Die Studie findet unter anderem, dass Zollvergünstigungen wenig versprechen, weil viele Importe aus Entwicklungsländern ohnehin niedrig oder gar nicht verzollt werden. Großes Potential habe dagegen die öffentliche Beschaffung nachhaltiger Textilien. Das ECDPM empfiehlt eine Kombination von für alle Branchen geltenden Sorgfaltspflichten mit branchenspezifischen Anforderungen oder Leitlinien. (bl, ps)
Robert Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte. Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich; Friedrich-Ebert-Stiftung, September 2019, www.fes.de
Nadia Ashraf und Jeske van Seters, Sewing the pieces together: Towards an EU strategy for fair and sustainable textiles; ECDPM, December 2019 https://ecdpm.org
Neuen Kommentar hinzufügen