Christiane Rudolph (rechts) leitet die Abteilung Strategie und Entwicklungspolitische Grundsätze bei der DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH in Köln. Christoph Trautvetter (links) ist wissenschaftlicher Referent beim Netzwerk Steuergerechtigkeit in Berlin.
Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) fördert Unternehmen in Entwicklungsländern, zum Teil über Fonds, die sich an solchen Unternehmen beteiligen. Viele dieser Fonds residieren in Offshore-Finanzzentren. Das trägt der DEG scharfe Kritik ein. Legitimiert sie zweifelhafte Finanzplätze? Gäbe es Alternativen?
Frau Rudolph, warum investiert die DEG in Fonds in Offshore-Finanzzentren?
Rudolph: Lassen Sie mich voran stellen, warum die DEG überhaupt in Private-Equity-Fonds investiert: Das sind Fonds, die sich an Unternehmen beteiligen, in unserem Fall vor allem an zumeist kleineren und mittelgroßen Firmen in Entwicklungsländern. Wir erreichen dadurch sehr gut unsere Zielgruppe – auch in schwierigen Ländern wie etwa Äthiopien und Madagaskar. Da die DEG selbst nicht Teil des Fondsmanagements ist, können wir nicht mitentscheiden, wo die Fonds angesiedelt sind – teilweise eben in Offshore-Finanzzentren. Wenn wir dieses Fondsgeschäft machen möchten, bleibt uns kein anderer Weg.
Trautvetter: Warum legt die DEG nicht selbst Fonds auf, und warum investieren Sie nicht direkt in Unternehmen?
Rudolph: Fonds selbst aufzulegen, ist nicht Teil unseres Geschäftsmodells; das bräuchte unter anderem viel mehr Managementkapazitäten. Und wir investieren nicht direkt, weil wir die entwicklungspolitisch wichtige Zielgruppe der kleinen und mittleren Unternehmen über Fonds viel besser erreichen können.
Aber gibt es nicht vergleichbare Fonds an anderen Finanzplätzen? Warum sind überhaupt so viele Fonds in Offshore-Finanzplätzen registriert?
Rudolph: Die meisten unserer Fonds sind an Unternehmen aus verschiedenen Ländern beteiligt. Ein Fonds zum Beispiel, in den wir investieren, ist an acht Unternehmen in fünf afrikanischen Ländern beteiligt; das ist eine typische Mischung. Offshore-Finanzplätze bieten eine neutrale Rechtsprechung für alle diese Beteiligungen in verschiedenen Ländern. Das bedeutet für Investoren Rechtssicherheit. Zudem wird an Offshore-Finanzplätzen gemäß internationaler Standards gearbeitet. Das bedeutet Professionalität, etwa in Gestalt guter Wirtschaftsprüfer und Anwälte. Investoren brauchen solche Bedingungen. Wir würden es begrüßen, wenn es in Deutschland Fondsmanager gäbe, die in Entwicklungs- und Schwellenländer investieren. Aber die Bedingungen für Fonds und auch für Stiftungen, sich hier zu etablieren, sind einfach nicht die besten.
Trautvetter: Hier verschweigen Sie den wesentlichen Grund, warum die Fonds lieber in Offshore-Finanzzentren sind: die Geheimhaltung. Die Finanzplätze vieler Ihrer Fonds stehen ganz oben auf der Geheimhaltungsliste des Tax Justice Network. Sie verschweigen außerdem die Steuervorteile, die diese Finanzplätze Investoren bieten. Diese zwei Vorteile hat Deutschland so nicht. Deshalb sind die Fonds lieber in Mauritius, den Cayman Islands, auf Guernsey oder St. Kitts and Nevis.
.Rudolph: Die DEG tätigt keine intransparenten Finanzierungen. Wir halten uns an die Liste intransparenter Finanzzentren der Financial Action Task Force, kurz FATF. Wir beteiligen uns nur an Fonds, die in nachweislich nicht intransparenten Ländern liegen.
Trautvetter: Damit drehen Sie die FATF-Liste auf den Kopf, denn darauf stehen ja nur sehr wenige Staaten, die nachweislich intransparent sind und bei denen zum Teil sogar die Staatlichkeit in Frage steht. Das heißt aber nicht, dass alle anderen Finanzplätze automatisch transparent sind. Im Gegenteil: Das sind zum Teil Staaten, die große Probleme haben, die aber nach Ansicht der FATF nicht groß genug sind, um sie auf die Liste zu setzen. Zum Beispiel schneiden die Bemühungen von Mauritius, das nicht auf der Liste steht, die Transparenz zu verbessern, überwiegend mit „niedrig“, bestenfalls mit „moderat“ ab.
Rudolph: Wie immer gibt es unterschiedliche internationale Richtlinien. Wir orientieren uns an der FATF-Liste und an der OECD, und das ist gängige internationale Praxis. Zum Thema Steuervorteile: Für die DEG ist das irrelevant, auch weil dieser Teil unserer Tätigkeit steuerbefreit ist. Aber für institutionelle Investoren, etwa Pensionskassen, sind diese Vorteile bedeutsam. Wenn sich solche Investoren für Beteiligungen in Entwicklungsländern entscheiden, dann erwarten sie einen nachhaltigen Ertrag. Entwicklungsfinanzierer wie die DEG können den finanziellen Bedarf, den kleine und mittlere Unternehmen haben, nicht stillen. Die Fonds müssen also attraktiv genug sein, dass institutionelle Investoren mit einsteigen wollen
Herr Trautvetter, ist ein Steuervorteil für private Investoren legitim, wenn das Geld entwicklungspolitisch sinnvoll investiert ist?
Trautvetter: Nein, denn private Investoren gehen doch gerade deshalb in riskante Investitionen in Entwicklungsländern, weil sie da viel höhere Renditen erzielen können als mit einer Immobilie in London. Das ist auch okay, denn der hohen Rendite steht ja auch ein hohes Risiko gegenüber. Mit anderen Worten: Wer in Private Equity in Entwicklungsländern investiert, erwartet durchaus hohe Erträge und muss nicht durch zusätzliche Steuervorteile belohnt werden. Dass die DEG als gemeinnützige Organisation andere Ziele verfolgt und dafür Steuervorteile kriegt, ist eine andere Sache.
Rudolph: Der aus unserer Sicht entscheidende Punkt zum Thema Steuern ist, dass die über die Fonds geförderten Unternehmen Steuern zahlen. Denn das bedeutet Steuereinnahmen für die Entwicklungsländer. Zum Jahresende 2018 hat die DEG in 123 Fonds investiert, die an 632 Projektunternehmen beteiligt waren. Diese Unternehmen haben allein im vergangenen Jahr mehr als eine Milliarde Euro Steuern gezahlt. In der Steuerdiskussion muss man trennen zwischen den Steuermodellen auf Investorenseite und den Steuern, die vor Ort bleiben.
Trautvetter: Ich würde die verschiedenen Aspekte trotzdem gern für ein fiktives Beispiel wieder zusammenführen: Nehmen wir an, ein korrupter kenianischer Minister schafft sein Geld nach Mauritius, wäscht es dort und investiert es in Fonds, die wiederum in Unternehmen in Kenia investieren. Würde der Minister das Geld direkt in Kenia investieren, dann müsste er Unternehmenssteuern zahlen und auf die Ausschüttung des Unternehmens auch noch Einkommenssteuer. Das kenianische Unternehmen überweist die Ausschüttung aber an den Fonds in Mauritius, und ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Mauritius und Kenia verhindert, dass Kenia die Dividenden besteuern kann. Wer also anonym in den Fonds investiert, entgeht der Einkommenssteuer, und Kenia entgehen wichtige Einnahmen.
Rudolph: Wenn dieser Minister in einen Fonds investieren würde, an dem wir auch beteiligt sind, dann würden wir den über unser Verfahren zur Identifizierung der wirtschaftlich Berechtigten, den Know-Your-Customer-Check, herausfischen. Diesen Check machen wir vor Zusage einer Finanzierung und während der Laufzeit des Engagements.
Trautvetter: Das heißt, Sie können auf Knopfdruck sagen, welche anderen Privatinvestoren neben der DEG in Ihre Fonds investieren?
Rudolph: Wir haben wenige private Investoren, die Mehrzahl sind institutionelle Investoren.
Trautvetter: Aber auch hinter institutionellen Investoren stehen am Ende Privatpersonen, und die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich im Kapital solcher Investoren auch das Geld von Drogenhändlern oder korrupten Politikern aus aller Welt findet. Können Sie wirklich ausschließen, dass der korrupte Minister aus Kenia über irgendeine Konstruktion neben Ihnen in einen Fonds investiert?
Rudolph: Es gibt immer Fälle von Korruption und Betrug. Aber wir haben wie gesagt eine sehr robuste Know-Your-Costumer-Prüfung. Zudem ist die Zahl anderer Investoren neben uns meistens sehr überschaubar. In der Regel sind das andere Entwicklungsfinanzierer wie etwa die niederländische FMO. Wenn ein Fall von Korruption aufgedeckt wird, muss man dem nachgehen. Aber auf ein entwicklungspolitisch so wichtiges Geschäft zu verzichten, nur weil jemand gegen Regeln verstoßen könnte, das wollen wir nicht.
Das heißt, das Risiko, dass neben Ihnen zweifelhafte Investoren sind, halten Sie für handhabbar?
Rudolph: Wir reden ja nicht von gigantischen Fonds. In der Regel liegt das Fondsvolumen unter 100 Millionen Euro. Wenn wir mit 20 Millionen Euro reingehen, bleiben 80 Millionen. Davon kommen häufig 20 Millionen von der FMO, weitere 40 Millionen zum Beispiel von der Weltbank-Tochter IFC. Das heißt, es sind dann nur noch 20 Millionen, die man nicht kennt. Wenn so ein neuer Investor mit drin ist, dann beschäftigt man sich mit dem.
Trautvetter: Nehmen wir als Beispiel den Balkan Accession Fund auf Curaçao – für mich unter dem Aspekt der Geheimhaltung eine der schlimmsten Steueroasen. Sie sind dort in diesen Fonds eingestiegen, der relativ transparent ist; die Amerikaner sind mit dabei, die Europäische Entwicklungsbank EBRD ist mit drin. Aber warum Curaçao? Warum nicht in New York, Luxemburg oder in einem anderen Land, wo die Geheimhaltung geringer ist? Welche Investoren will dieser Fonds außer Ihnen noch erreichen, indem er nach Curaçao geht?
Rudolph: Wir entscheiden uns nicht für einen Fonds, weil der in Curaçao sitzt. Wir reden mit dem Fondsmanager auf dem Balkan, wir reden mit der EBRD. Wenn die fragt, ob wir dabei sind, dann schauen wir uns an, an welchen Unternehmen der Fonds beteiligt ist, ob das eine für uns attraktive Zielgruppe ist und ob internationale Richtlinien erfüllt sind. Ist das der Fall, dann sind wir dabei.
Trautvetter: Und bitten Sie auch den Fondsmanager, alle anderen Investoren und deren wirtschaftlich Berechtigte offenzulegen?
Rudolph: Das ist Teil der Prüfung vor Zusage, der Due Diligence, auch bei der EBRD, der IFC und der FMO. Wir arbeiten mit den gleichen Standards, unter anderem um zu ermöglichen, dass wir das Volumen zustande bekommen, das ein solcher Fonds braucht.
Trautvetter: Wenn Sie sagen, Sie haben ein gutes Know-Your-Customer-System und eine Due-Diligence-Prüfung, dann fürchte ich mit Blick auf die Skandale in Offshore-Finanzzentren der vergangenen Jahre, dass das nicht funktionieren kann. Die DEG wäre die erste Finanzinstitution, die in der Lage ist, komplexere Fonds bis zum letzten wirtschaftlich Berechtigten zu durchschauen.
Rudolph: Wir haben adäquate Verfahren, um das Risiko auf ein für uns vertretbares Maß zu reduzieren. Wenn doch etwas schiefgeht, haben wir Maßnahmen, etwa zum Umgang mit Geldwäsche.
Herr Trautvetter, trägt die DEG ungewollt zur Legitimation zweifelhafter Finanzplätze und fragwürdiger Geschäftspraktiken bei?
Trautvetter: Ja, von einer Entwicklungsorganisation erwarte ich, dass sie versucht, die gängige Praxis zu ändern. Noch einmal das Beispiel des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Mauritius und Kenia: Stimmen aus Kenia sowie aus anderen afrikanischen Staaten sagen, diese Abkommen sind schlecht für uns, und wollen sie neu verhandeln. Das zeigt: Hier hinkt die DEG einer Entwicklung hinterher, obwohl sie an der Spitze stehen müsste.
Rudolph: Doppelbesteuerungsabkommen werden zwischen Staaten ausgehandelt, die DEG ist daran nicht beteiligt. Das ist also eine Frage an die Regierungen. Für die Entscheidung, in welchen Ländern wir investieren, spielt sie keine Rolle. Afrikanische Länder haben nicht nur mit Offshore-Finanzplätzen, sondern auch mit Industrieländern Doppelbesteuerungsabkommen, die ungünstig sind für das afrikanische Land und die diese daher gern aufgeben würden. Wir vertreten in dieser Frage keinerlei Interessen.
Trautvetter: Aber die Fonds sind doch genau deshalb in Mauritius, weil die Investoren wegen des Doppelbesteuerungsabkommens ihre Dividenden steuerfrei aus Kenia abziehen können. Indem Sie diese Fonds finanzieren, unterstützen Sie diesen Geldfluss, den Kenia stoppen will. Sie unterstützen damit ein System, dass Sie verbessern sollten.
Rudolph: Wir haben Einfluss darauf, was der Fonds gegenüber den Unternehmen tut, an denen er beteiligt ist. Aber wir haben keinen Einfluss auf das, was in den politischen Raum hineinragt. Wir beteiligen uns an Fonds, weil wir anders nicht an die geförderten kleinen und mittleren Unternehmen herankommen würden. Und dann würden auch die Einnahmen der Entwicklungsländer aus den Steuerzahlungen dieser Unternehmen wegfallen. Ich will mich nicht auf die Position zurückziehen, wir können nichts tun. Aber stärker wäre ein Signal etwa der Weltbank, denn da sitzen zahlreiche Regierungen als Anteilseigner drin. Solange dort die gängige Praxis als legitim angesehen wird, gilt das auch für uns.
Herr Trautvetter, was wären die Alternativen für die DEG?
Trautvetter: Wenn die DEG Fonds nicht selbst auflegen kann und es in Deutschland keine passenden gibt, dann sollte sie nur in Fonds investieren, die freiwillig ihre Investoren, ihre Finanzen und die Unternehmen, an denen sie beteiligt sind, öffentlich machen. Diese Bedingung kann jeder Fonds erfüllen, wenn er will. Dann würde das Problem der Projektfinanzierung über Offshore-Finanzplätze schon deutlich kleiner.
Das Gespräch moderierte Tillmann Elliesen.
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