Beihilfe zur Korruption

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Steuerparadiese
Den Entwicklungsländern schaden Steuerparadiese besonders damit, dass sie Geldwäsche und Korruption begünstigen. Denn das stärkt die Mächtigen, die im Süden den Staat bestehlen.

Was in in Steueroasen vorgeht, ist schwer zu durchschauen. Sie helfen Konzernen Steuern sparen und erleichtern illegale Geschäfte. Doch weiß man, wie viel Geld dabei im Spiel ist? Ist es alles gleichermaßen anrüchig? Und wie schädigen diese Geschäfte Entwicklungsländer?

Warum schaffen Regierungen Schattenfinanzplätze?

Steueroasen wurzeln im Bestreben von Gebieten mit schwacher Steuerbasis, ihre Staatseinnahmen zu steigern, indem sie fremde Firmen und fremdes Vermögen anlocken. Selbst wenn sie das kaum oder gar nicht besteuern, wächst so ihre Steuerbasis, weil einheimische Firmen- und Finanzdienstleister profitieren.

Die Gebiete nutzen dafür mehrere Instrumente. Das erste hat laut dem britischen Politologen Ronen Palan der US-Staat New Jersey Ende des 19. Jahrhunderts erfunden: Die Möglichkeit, sehr einfach einen Firmensitz zu gründen, verbunden mit Steuervorteilen für Unternehmen aus anderen US-Staaten. In den 1920er Jahren hat Großbritannien das weiterentwickelt zum Modell der reinen Briefkastenfirma. Um die Weltwirtschaftskrise zu bewältigen, hat die Schweiz dann 1934 eine entscheidende Zutat hinzugefügt: das Bankgeheimnis. Damit sowie mit anonymen Stiftungen und Trusts kann man auch Privatvermögen verstecken.

Die Blüte der Steueroasen begann laut Palan in den 1960er Jahren, als internationale  Kapitaltransfers strengen Regeln unterworfen waren: Großbritannien ließ den Handel mit US-Dollar außerhalb dieser Regeln zu und schuf so den Markt für sogenannte Eurodollars. Der machte den Finanzplatz London und seine Satelliten (etwa die Kanalinseln und die Bahamas), dann auch die früheren britischen Kolonien Hongkong und Singapur zur ersten wichtigen Gruppe der Steueroasen. Die zweite bildeten europäische Länder wie die Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg. Drittens kamen Länder wie Dubai und Panama dazu.

Nicht zufällig sind kleine Territorien stark vertreten: Dort kann der Staat sich kaum aus der heimischen Wirtschaft finanzieren. Er kann aber das Anlocken von fremdem Kapital zur Basis der Staatsfinanzierung machen, da die Bevölkerung und der Staatsetat klein sind. Solche Steuerparadiese sind eng verflochten mit den Zentren der Weltwirtschaft. Wichtige Verbindungsglieder sind die Niederlande, Großbritannien, die Schweiz, Singapur und Irland, haben Forscher von der Universität Amsterdam 2017 gezeigt: Diese Finanzplätze sicherten den Transfer von Konzernprofiten in Steuerparadiese, sie seien „Durchgangs-Steueroasen“.

Ist alles dort verwaltete Geld anrüchig?

Nein – jedenfalls nicht alles gleichermaßen. Dass Konzerne mit Profitverlagerung Steuern sparen, ist schädlich, aber großenteils legal. Es gibt allerdings fließende Übergänge ins Illegale, etwa wenn Firmen verborgenes Geld für Bestechung nutzen. Schattenfinanzplätze helfen aber auch, private Steuern zu hinterziehen, Geld aus Korruption oder Drogenhandel zu waschen und Regeln für den Finanzmarkt zu umgehen. Solche Geschäfte sind illegal oder zumindest grob sittenwidrig. Sie werden unter dem schwammigen Begriff „illegitime Finanzflüsse“ (illicit financial flows, IFF) zusammengefasst.

Trotz Überschneidungen und Grauzonen sind illegale Flüsse ein anderes Problem als legale Steuergestaltung. Viele Offshore-Finanzplätze scheinen sich auf eins von beiden zu konzentrieren. So sieht die Rangfolge der Steueroasen für Konzerne anders aus als die der bedeutendsten Geheimhaltungsplätze, die Steuerbetrug und Geldwäsche erleichtern (siehe Grafik Seite 15). Und die beiden Datenleaks von 2016 weisen darauf hin, dass in Panama besonders anrüchige Geschäfte stattfanden: Laut Panama Papers hatte die Kanzlei Mossack Fonseca viele zwielichtige Kunden, gern auch Diktatoren; ein Hauptgeschäft war Steuerhinterziehung. In den Paradise Papers aus der Kanzlei Appleby, die von den Bermudas stammt, findet man eher Großkonzerne und statt Diktatoren prominente Superstars und Politiker. So hat der US-amerikanische Handelsminister Wilbur Ross über Appleby Geschäfte ausgerechnet mit russischen Energiefirmen gemacht. Verboten ist das nicht: Hier geht es um Interessenkonflikte oder Transaktionen, die dem eigenen Image schaden. Manche Investitionen über Offshore-Finanzplätze – etwa die von Prinz Charles via Bermudas in ein Waldschutz-Start-up – können auch unbedenklich sein und motiviert von der Expertise des Finanzplatzes.

Wer hilft bei Geschäften im Schatten?

Wer große Summen Staatsgeld unterschlägt oder sie mit illegalen Geschäften wie Drogen- und Menschenhandel verdient, kann sie nicht ohne weiteres auf ein Bankkonto einzahlen oder Aktien damit kaufen. Vorher muss die zweifelhafte Herkunft verschleiert werden. Dazu wird im Schattenfinanzwesen mit Strohleuten, Briefkastenfirmen und Scheingeschäften schmutziges Geld hin- und hergeschoben, bis die Herkunft nicht mehr nachvollziehbar ist.
Dabei helfen Banken, Vermögensverwalter und Anwälte, die zum Beispiel Scheinfirmen registrieren. Großbanken haben zahlreiche Ableger in Schattenfinanzplätzen. Ein britisches Unternehmen, das Software zur Bekämpfung von Geldwäscher entwickelt, hat Ende 2018 eine Studie vorgelegt, wonach in den zehn Jahren davor 18 von 20 europäischen Großbanken wegen Verstößen gegen Geldwäscheregeln bestraft worden waren.

Konzerne haben bei der Steuervermeidung noch andere willige Helfer: die vier großen Buchprüfergesellschaften KPMG, PricewaterhouseCoopers, Deloitte und Ernst & Young. Sie prüfen nicht nur die Bilanzen der Unternehmen, sondern beraten sie auch bei der Steuergestaltung und verdienen daran. Und sie nehmen Einfluss auf Steuerregeln der Staaten, insbesondere der Steueroasen, die sie dann ausnutzen helfen.

Wie viel Geld wird in Steuerparadiesen versteckt?

Zur Profitverlagerung von Konzernen kursieren Schätzungen, wonach alle Staaten zusammen dadurch über 500 Milliarden US-Dollar pro Jahr an Steuern verlieren, Entwicklungsländer bis zu 200 Milliarden. Plausibler sind Berechnungen eines Teams um den Ökonomen Gabriel Zucman, die neben volkswirtschaftlichen Statistiken auch Daten über Profite und Steuern von Konzerntöchtern auswerten (siehe Grafik Seite 14). Danach haben Auslandstöchter von Konzernen 2015-2016 etwa 40 Prozent ihrer Profite künstlich in Steueroasen verlagert. Ein Drittel davon kam aus EU-Ländern, ein knappes Viertel aus den USA, ein gutes Viertel aus Entwicklungsländern. Weltweit gehen so bis zu 200 Milliarden US-Dollar Steuern jährlich verloren. Laut der freien Expertin Maya Forstater ist diese Schätzung eher zu hoch als zu niedrig – unter anderem, weil reale Steuern oft niedriger sind als die Steuersätze, die Zucmans Team zugrunde legt.

Zu illegalen grenzüberschreitenden Geldflüssen (IFF) gibt es im Grunde keine belastbaren Zahlen; illegale Geschäfte werden ja ihrer Natur nach nicht erfasst. Häufig werden dazu Berechnungen angeführt, die IFF aus Handels- und Zahlungsbilanzen ableiten. Die Methode ist aber fragwürdig, die Ergebnisse können völlig irreführend sein (siehe Kasten links).

Zweifelhafte Rechenspiele

Zum Ausmaß illegaler Finanzflüsse werden oft Schätzungen benutzt, die wie die der NGO Global Financial Integrity (GFI) auf Handels- und Zahlungsbilanzstatistiken beruhen. Wenn etwa Sambia weniger Exporte nach Deutschland ...

Methodisch solider schätzen Zucman und Kollegen den Bestand des in Steueroasen angesammelten Privatvermögens auf 8 bis 10 Prozent des weltweiten privaten Reichtums. Sachvermögen wie Immobilien sind nicht erfasst. Aufschlussreich ist die Länderverteilung: Aus Skandinavien, wo die Steuern hoch sind, aber auch aus Indien, Südkorea und Japan bringen die Reichen nur wenig Geld außer Landes. Besonders viel – ein Drittel bis zwei Drittel ihres Vermögens – schaffen sie zum Beispiel in Griechenland, Argentinien, Russland, Venezuela und Saudi-Arabien in Offshore-Zentren. Steuerhinterziehung scheint also nicht überall das Hauptmotiv zu sein. Argentiniens Reiche etwa umgingen mit Offshore-Zentren die Beschränkungen des Devisenhandels zu Hause; aus Venezuela und Russland wurden offenbar unterschlagene Erdöl- und Erdgaseinnahmen gewaschen. Russische Oligarchen bringen ihr Geld außerdem deshalb ins Ausland, weil es zu Hause vor dem Zugriff des Staates nicht sicher ist: Steueroasen bieten Rechtssicherheit.

Welche Folgen hat das für Entwicklungsländer?

Die Profitverschiebung kostet sie Steuereinnahmen. Das sollte aber nicht überschätzt werden: Maya Forstater weist darauf hin, dass die von Zucman und Kollegen ermittelten Steuerausfälle nur ein Prozent der globalen Steuereinnahmen ausmachen. Zwar ist die Steuerflucht zusätzlich mit einem Wettlauf um niedrigere Unternehmenssteuersätze verbunden – befördert von Gebern wie der Weltbank, die niedrige Steuern empfehlen, um das „Geschäftsklima“ zu verbessern. Aber auch mit höheren Sätzen könnten Konzernsteuern nicht die Staatshaushalte im Süden sanieren – ausgenommen vielleicht in wenigen rohstoffreichen Ländern. Laut dem Steuerexperten Odd-Helge Fjeldstad vom Christian-Michelsen-Institut in Norwegen geht in Afrika wesentlich mehr durch Steuerflucht im Inland verloren als durch Profitverlagerung. Um Staaten mehr Geld für Entwicklung zu verschaffen, ist in den meisten Ländern vordringlich, die Steuerbasis, die Steuerbehörden und die Steuermoral zu stärken.

Auch der illegale Abfluss von Reichtum, etwa aus Drogenhandel und großer Korruption, schädigt Entwicklungsländer. Besonders betroffen sind Länder mit reichen mineralischen Rohstoffen.

Wie das vor sich geht, zeigen Fälle wie der des Sohns des Staatspräsidenten der Republik Kongo, Denis Christel Sassou-Nguesso. Er hat nach Recherchen von Global Witness einer brasilianischen Infrastrukturfirma einen Auftrag verschafft und die hat 50 Millionen US-Dollar für ihn abgezweigt. Mit Briefkastenfirmen in mehreren Steueroasen, darunter in den USA und den Jungferninseln, wurde das Geld gewaschen und landete in Europa. In den USA hat Sassou-Nguesso laut Global Witness für 20 Millionen Dollar ein Apartment im Trump Tower gekauft.

Die politischen Folgen dürften noch schlimmer sein als die finanziellen: Korrupte Regime und Politiker werden gestärkt. Schattenfinanzplätze erlauben den Mächtigen, unterschlagenes Staatsgeld und Schmiergeld in sichere Häfen zu bringen und zu waschen. So können sie nicht nur ihrer Familie ein Luxusleben bezahlen und für den Fall des Machtverlustes vorsorgen. Sie können auch im Heimatland bestechen oder sich an der Macht halten, indem sie von Auslandskonten Wahlkämpfe und Gefolgsleute bezahlen oder politische Gewalt finanzieren. Wer Demokratie und gute Regierungsführung fördern will, muss deshalb Steueroasen austrocknen und Transparenz über Auslandsvermögen und Firmeneigner schaffen.

Sinnvoll ist auch, Vermögen von Diktatoren einzufrieren und dem Herkunftsland zurückzugeben. Die Weltbank und das UN-Büro für Drogen und Kriminalität (UNODC) haben dazu 2007 eine Initiative gegründet, der sich viele Industrieländer angeschlossen haben. Die Bilanz ist dürftig: Nur ein winziger Teil dieser Vermögen wurde zurückgeführt, vieles davon von der Schweiz. Oft kann oder will die Justiz des bestohlenen Landes nicht die Belege liefern, die nötig sind, um Vermögen einzuziehen. Nicht zufällig finden Vermögensrückführungen meistens erst nach einem Regierungs- oder Regimewechsel im Ursprungsland statt. Denn dann nutzt die neue Regierung gern Korruptionsvorwürfe, um verbliebene einflussreiche Parteigänger der alten zu entmachten – so in Nigeria nach dem Tod des Militärherrschers Sani Abacha 1998 und jetzt in Simbabwe. Hier hat Präsident Mnangagwa im März 2018 eine Liste von Firmen und Personen veröffentlicht, die zusammen über eine Milliarde US-Dollar ins Ausland verschoben hatten, und will das Geld zurückholen.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2019: Ab in die Steueroase
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