Zyniker sind sie beide in diesem Streit, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und sein brasilianischer Amtskollege Jair Bolsonaro. Macron ließ den brennenden Wald am Amazonas auf die Tagesordnung des G7-Gipfels am Wochenende in Biarritz setzen. Bolsonaro warf ihm darauf Einmischung in „interne Angelegenheiten“ Brasiliens und „kolonialistisches Denken“ vor. Das ist zynisch, denn der oberste Kolonialherr in dieser Geschichte ist Bolsonaro selbst. Der Brasilien-Referent des katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Klemens Paffhausen, weist zurecht darauf hin, dass der Präsident und die von ihm gehätschelte brasilianische Agrarlobby die wahren „Vertreter des alten kolonialen Denkens“ seien: Denn sie opferten den Wald und seine Bewohner skrupellos den Wirtschaftsinteressen der Agrarkonzerne.
Macron twitterte vergangene Woche mit Blick auf den Amazonas: „Unser Haus brennt.“ Auch das ist zynisch, denn offenbar interessiert der Franzose sich erst für den Zustand „unseres Hauses“, seit es lichterloh in Flammen steht. Kurz zuvor hatte die Europäische Union einschließlich Frankreich mit dem lateinamerikanischen Staatenbund Mercosur, zu dem auch Brasilien gehört, ein Handelsabkommen geschlossen, dessen Inhalt in Kurzform mit „cars for cows“ zusammengefasst wird: Die Europäer dürfen mehr ihrer Autos nach Lateinamerika verkaufen, im Gegenzug dürfen Länder wie Brasilien und Argentinien noch mehr Rinder züchten und dann in Gestalt von Steaks nach Europa exportieren. Jeder weiß: Mehr Autos und mehr Kühe, beides ist Gift für den Amazonas.
Zwar hatte Macron schon früher Kritik an dem Abkommen geäußert. Aber die war vor allem von der Furcht getragen, die französischen Rinderzüchter könnten von der lateinamerikanischen Konkurrenz verdrängt werden, weniger von echter Sorge um den geschundenen Wald.
Die katholische Kirche wählt die richtige Perspektive
Dem deutschen Entwicklungsminister Gerd Müller hingegen nimmt man die Sorge um den Amazonas durchaus ab. Aber seine Forderung, die Brände müssten „sofort gestoppt“ werden, und sein Vorschlag für ein „weitergehendes G7-Rettungsprogramm für die Regenwälder weltweit“ klingen rührend naiv und hilflos. Die reichen Länder, die mit ihrem Heißhunger auf Fleisch und Futtermittel maßgeblich zum Sterben des Waldes beitragen, sollen es also wieder einmal mit ihrer Entwicklungshilfe richten. Das wird den Amazonas nicht retten.
Den ersten Schritt, der für ein echtes Umdenken nötig wäre, will die katholische Kirche jetzt gehen: Im Oktober kommen auf Einladung von Papst Franziskus im Vatikan die Bischöfe Amazoniens sowie Indigene von dort, Vertreter von Bischofskonferenzen aus aller Welt und Fachleute zusammen. Drei Wochen lang wollen sie sich über die Gefährdung des Waldes und Möglichkeiten des Schutzes im Sinne einer „ganzheitlichen Ökologie“ austauschen.
Die Kirche hat dazu die richtige Perspektive gewählt: nicht die von oben, aus der Amazonien lediglich wie von Jair Bolsonaro als auszubeutende Ressource oder wie von Emmanuel Macron abstrakt als „unser Haus“ wahrgenommen wird. Sondern die von unten, die Perspektive der Menschen, die im und vom Wald leben. Im vorbereitenden Papier zur Synode heißt es, man wolle eine Kirche sein, „die ihre Komfortzonen verlässt und an die Ränder geht, dahin, wo Menschen nichts zählen und keine Rechte haben“. Das ist vorbildlich, denn Veränderung, wie die Kirche richtig feststellt, ist nur möglich, wenn Menschen und ihre Gemeinschaften teilhaben an den Vorgängen, die sie betreffen.
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