Im Südsudan herrschen Hunger und Gewalt. 2013 ist unter den Vorkämpfern der Unabhängigkeit ein Bürgerkrieg entbrannt, der Züge eines ethnischen Konfliktes zwischen Dinka und übrigen Gruppen angenommen hat. Ende Juni haben zwar der Staatspräsident und sein größter Gegenspieler ein Abkommen über eine Machtteilung an der Staatsspitze unterschrieben, doch eine ähnliche Vereinbarung ist bereits 2015 gescheitert. Ob die politischen Führer Frieden herbeiführen wollen und können, muss man stark bezweifeln.
Sollte man deshalb stärker auf traditionelle Würdenträger setzen, vor allem Chiefs? Sie einzubeziehen kann helfen – aber nur wenn man im Blick hat, dass auch sie als Teil eines Netzwerks von Eliten sehr zwiespältige Rollen einnehmen, schreibt Nicki Kindersley in einer neuen Studie für das South Sudan Customary Authorities Project des Rift Valley Institute in Nairobi.
Kindersley geht im Detail der Rolle nach, die Dinka-Chiefs im Norden des heutigen Südsudan in Jahrzenten der Kriege und Hungersnöte gespielt haben. Sie zeigt, dass viele Chiefs die Mitglieder ihrer Gemeinschaften nach Kräften zu schützen versuchten – zum Beispiel mit Warnungen vor bevorstehenden Angriffen der Milizen aus dem Nordsudan und indem sie die verfügbare Nahrung und später Hilfslieferungen unter allen verteilten. Dazu mussten sie Beziehungen zu Kriegsparteien unterhalten und gerieten unter Druck, sich auf eine Seite zu schlagen oder selbst Milizen zuzulegen. Manche mächtige Chiefs wurden Teil der Rebellenbewegung oder des (nordsudanesischen) Staates, zumal als Millionen Südsudanesen in den Norden flohen. Einige profitierten von der Kriegswirtschaft, zum Beispiel indem sie Notleidende unbezahlt arbeiten ließen, oder stiegen selbst zu Kriegsfürsten auf und halfen dabei weiter ihren Schutzbefohlenen.
Kindersley hat für die Studie viele Chiefs und andere Beteiligten befragt. Die Antworten zeigen: Viele Befragte begreifen genau, wie traditionelle Würdenträger ihre Macht wahren und einsetzen, welche Eigeninteressen sie verfolgen und wie der Krieg sie zu unmöglichen Entscheidungen zwingt. Im Grenzgebiet von Nord- und Südsudan sind Chiefs von beiden Seiten kooptiert worden und haben sich zugleich zu unentbehrlichen Mittlern der Machthaber gemacht und von dieser Rolle profitiert, schreibt Kindersley. Diese in Jahrzehnten von Gewalt und Hunger eingeübten Muster seien weiter bestimmend. Man dürfe sich Chiefs nicht als Teil einer Zivilgesellschaft vorstellen, die dem Staat gegenübersteht.
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