Am Anfang stand die Einsicht: Es fehlt an Sachverstand. Kirchen aus dem Süden drängten Ende der 1980er Jahre ihre Geschwister im Norden, sich der eigenen Verantwortung für die Ungerechtigkeiten der Weltwirtschaft zu stellen. „Doch sobald wir hier eine andere Weltwirtschaftsordnung forderten, wurde uns vorgeworfen, wir hätten keine Ahnung“, sagt Martina Schaub, die Geschäftsführerin von „Südwind“.
So gründeten Christinnen und Christen mehrerer Konfessionen 1991 den Verein „Südwind“ und sein Institut. Inzwischen hat es viel Expertise zur Weltwirtschaft gesammelt – insbesondere zu Rohstoffen und Produktionsketten, etwa bei Textilien. Ethisches Investment ist ein weiterer Schwerpunkt: Wie können Investoren, darunter Kirchen und Gemeinden, mit ihrem Geld Veränderungen fördern?
Der Sachverstand der Weltverbesserer ist heute unbestritten. Die gut besuchte Jubiläumstagung Mitte September in Bonn hat belegt, dass Südwind in Politik und Wirtschaft als Gesprächspartner anerkannt ist: Auf dem Podium saßen neben dem Rechtswissenschaftler Markus Krajewski von der Universität Erlangen-Nürnberg und Friedel Hütz-Adams von Südwind auch Frank Schwabe, der Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion zu Menschenrechten, und Paul Noll von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Sie debattierten, ob man Unternehmen vorschreiben kann und soll, für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrer Lieferkette Sorge zu tragen.
Warten auf den Aktionsplan
Man könne, erklärte Krajewski. Strittig ist, ob man Gesetze dazu braucht oder besser auf Freiwilligkeit setzt. Einen vertretbaren Kompromiss habe das Bundesfinanzministerium soeben verhindert, kritisierte Schwabe: den Entwurf für den deutschen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte. Mehrere Ministerien hatten die Industrie, Gewerkschaften und nichtstaatliche Gruppen konsultiert, darunter den BDA und Südwind. Die wurden – wenig überraschend – nicht einig. So beschlossen die Ministerien einen Kompromiss: Falls nicht eine Mindestzahl von Unternehmen in fünf Jahren Schritte zum Schutz der Menschenrechte unternommen habe, solle die Bundesregierung gesetzliche Vorschriften „erwägen“, berichtete Schwabe.
Genau das will das Finanzministerium nicht. Interveniert es auf Drängen der Industrie? Paul Noll bemühte sich sichtlich, diesem Verdacht entgegenzutreten: Der BDA sei bei der Debatte unter den Ressorts außen vor und warte genau wie Schwabe darauf, dass ein Entwurf veröffentlicht werde.
Einigkeit bestand auf der Tagung, dass die jahrelange Auseinandersetzung über Unternehmenspflichten gefruchtet hat: Anders als zu Beginn akzeptierten deutsche Firmen heute grundsätzlich eine gewisse Verantwortung für Menschenrechtsverstöße in ihren Lieferketten. Allerdings: „Firmen sind dafür, dass ihre Zulieferer die Gesetze einhalten. Aber sie setzen sie zugleich unter einen Kosten- und Termindruck, der das unmöglich macht“, sagte Hütz-Adams. Staatliche Vorschriften, glaubt Krajewski, würden jedoch kommen: „In 25 Jahren werden wir darüber nicht länger diskutieren.“
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