Wenn man die Ziele von Paris ernst nehme, müsse Deutschland seine Klimaziele verschärfen und bis 2050 mindestens 95 Prozent weniger Treibhausgas ausstoßen als 1990, erklären gut 40 deutsche Organisationen. Das ist richtig. Doch wie ist eine praktisch emissionsfreie Wirtschaft erreichbar? Dazu legen sie einen Forderungskatalog vor. Wir sollen etwa Strom vollständig erneuerbar erzeugen, möglichst energiesparend produzieren, Gebäude dämmen und Autos auf Elektroantrieb umstellen.
Diese technische Optimierung könnte, wenn sie konsequent umgesetzt würde, die Emissionen um vielleicht 80 Prozent senken. Doch will man mehr, dann sind schmerzhafte Änderungen der Konsum- und Produktionsmuster nötig. Im Forderungskatalog wird das deutlich: Industrie und Gewerbe müssten den Rohstoffeinsatz drastisch verringern und viel mehr recyceln. Nicht für alle Industriesektoren ist aber klar, mit welcher Technik sie „treibhausgasneutral“ werden können, räumt das Papier ein. Wie weit ein verlässlicher Preis für CO2 und strenge Effizienzstandards das Problem lösen, ist unklar.
Ähnlich sieht es beim Verkehr aus. Hier wird Vermeidung gefordert. Doch der Güterverkehr wächst mit dem Online-Handel und der Aufteilung von Produktionsprozessen auf viele Standorte. Wie dieser Trend umgekehrt werden kann, bleibt offen. Das Papier räumt ein, dass zwar PKWs mit Ökostrom fahren können, es gibt aber noch keine Technik für emissionsfreien Schwer-, Schiffs- oder Luftverkehr; Agro-Diesel sei wegen des Flächenbedarfs nicht die Lösung. Und die Emissionen der Landwirtschaft zu senken, erfordere nicht nur Bio-Landbau, sondern auch eine Halbierung des Konsums von tierischen Produkten – Fleisch, Milcherzeugnisse, Eier. Wie man solche Verhaltensänderungen herbeiführen kann, wird nicht gesagt.
Kein Konsens in der Zivilgesellschaft
Daran wird deutlich: Klimaneutralität ist sehr schwer zu erreichen. Ohnehin wird das Papier nicht zum Masterplan für sämtliche Politikbereiche werden. Politik muss immer kurzfristige Interessen berücksichtigen, und auch in der Zivilgesellschaft gibt es keinen Konsens, alles dem Klimaschutz unterzuordnen: Zu den Trägern des Forderungskatalogs gehören Naturschutz- und Entwicklungsorganisationen und alternative Wirtschafts- und Bauernverbände, jedoch keine Gewerkschaften und nur (oder immerhin) zwei Landeskirchen und ein Diözesanrat.
Dennoch: Die meisten Umsetzungsschritte, die das Papier anmahnt, sind vernünftig. Wenn die Regierung wollte, könnte sie den Kohleausstieg beschleunigen und eine Steuer auf Emissionen erheben. Auch der Ruf nach einer Strategie ist berechtigt. Zwar kann keine Regierung einen Plan für die große Transformation bis 2050 Punkt für Punkt umsetzen. Aber sie muss das Ziel im Blick haben und Weichen richtig oder mindestens nicht falsch stellen. Diese Orientierung fehlt in Berlin. In der Landwirtschafts- und Industriepolitik – man denke an Abgasstandards für PKW – ist Klimaschutz ein nachrangiger Gesichtspunkt, der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird aus Kostengründen gebremst, die Verkehrsplanung folgt eingefahrenen Pfaden. Die Klimaschützer sagen es nicht, aber ihr Plan macht klar, welch schwache Vorstellung die Bundesregierung hier bietet.
Klimaschutz
Die Wunschliste ist lang - und an manchen Stellen auch kontra-produktiv, z.B. Elektroautos. Woher kommt der Strom wenn wir Millionen Fahrzeuge damit versorgen wollen - entweder aus Atomkraftwerken oder schlimmer noch aus Kohlekraftwerken.
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