Präsident Yoweri Kaguta Museveni war im Oktober der Ehrengast bei einer Dinnerparty. Neben ihm saßen ein paar der bekanntesten Sänger am Tisch. Sie stellten dort ihr Lied „Tubonga Nawe“ vor, was in der lokalen Sprache Luganda „Wir stehen hinter Euch“ bedeutet. Damit wollen sie die Wiederwahl des Präsidenten und seiner Partei „Nationale Widerstandsbewegung“ (The National Resistance Movement – NRM) unterstützen. Der Präsident wiederum soll laut Medienberichten mehr als 400 Millionen ugandische Schilling (100.000 Euro) an einen Fonds zur Förderung der Musikindustrie gespendet haben.
Das Lied hat in den Medien, in der aufstrebenden städtischen Elite und auf den Straßen Kampalas eine leidenschaftliche Diskussion über die angemessene Beziehung zwischen Politik und Popmusik entfacht. Sind bekannte Musiker verpflichtet, die politische Elite zu loben? Oder haben sie mit ihrer Berühmtheit eine besondere Verantwortung, gegen Ungerechtigkeit zu protestieren?
Die Stimme der Stimmlosen
Künstler sollten ihre eigenen politischen Interessen vertreten statt Lobeshymnen zu singen, kommentierte der ugandische Sänger Maurice Kirya auf Facebook, wenige Stunden, nachdem das Lied veröffentlicht wurde. Auch andere vertraten die Ansicht, Künstler sollten der Regierung kritisch gegenüberstehen statt sie zu bejubeln, denn sie seien die Stimme der Stimmlosen. Und einige berühmte Sänger mussten der Boulevardpresse erklären, warum sie sich der „Tubonga Nawe“-Starbesetzung nicht angeschlossen hatten – und damit gleichzeitig ihren politischen Standpunkt preisgeben.
Der junge Hip-Hop-Künstler Bana Mutibwa antwortete mit einem eigenen Lied auf die Hymne. Der Titel: „Tetubonga Nawe“ – „Wir stehen nicht hinter Euch“. Darin kritisiert der Rapper sowohl die Regierungspartei als auch diejenigen, die „Tubonga Nawe“ singen. Das Lied ging durch die Decke, als Kizza Besigye, Präsidentschaftskandidat und Oppositionsführer beim Forum für Demokratischen Wandel (Forum for Democratic Change – FDC), das Lied auf Facebook teilte. Plötzlich war Mutibwa überall: in den Nachrichten, im Radio und in den Klatschblättern. Über das Internet und WhatsApp verbreitete sich das Lied noch weiter.
„Tubonga Nawe“ hat die Beziehung zwischen Popmusik und Politik durcheinander gebracht. Gleichzeitig hat das Lied neue Ausdrucksformen und Handlungsmöglichkeiten geschaffen. Oder, wie ein Freund in Uganda sagte: Musik wurde neu politisiert, die Hierarchien in der Gemeinschaft der Musiker haben sich verschoben.
Um zu verstehen, was für junge Leute in der Branche auf dem Spiel steht, dürfen ihre Ausflüge in die Politik nicht nur als Lob oder Protest gesehen werden. Vielmehr greifen die Künstler – und nun auch Politiker – damit zu einem merkwürdigen und manchmal widersprüchlichen Mittel, um Beziehungen zu knüpfen, die ihnen mehr Ruhm, Einfluss und Wohlstand verschaffen.
Genau wie in anderen Teilen Afrikas wurden Musiker in Uganda lange als abhängig vom Staat oder sogar als Betrüger und Hofnarren wahrgenommen. Während der Hochphase des Königreichs Buganda waren Hunderte Musiker beim Staat angestellt. Später, in der frühen postkolonialen Ära, waren sie wieder von der Gunst des Staates und einzelner Politiker abhängig. Denn denen gehörten fast alle Medien – ohne sie hätten die Künstler kaum ein großes Publikum erreichen können.
Künstler als Unternehmer auf dem globalen Markt
In den vergangenen Jahren haben junge Musiker in Kampala ihre Rolle in der Popkultur neu definiert. Die Medienwelt wurde in den 1990er Jahren stärker privatisiert und ist informeller geworden, auch mit Hilfe von Internet-Plattformen. Künstler begreifen sich nicht länger als Diener des Staates, sondern als Unternehmer auf dem globalen Markt. Sie wollen vor allem ihre Musik und ihre eigene Marke verkaufen. Das ist die Grundlage der aufblühenden Musikindustrie in Uganda und die einer neuen Generation von Stars.
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Wenn sich Politiker und Sänger dieselbe Bühne teilen wie bei den jüngsten Wahlkampagnen, sorgt das unterschiedliche Verständnis von der Rolle der Musiker für Spannungen. Bereits bei den Wahlen 2011 traten viele der heutigen „Tubonga Nawe“-Künstler auf den Kundgebungen von Präsident Museveni auf. Doch sie spielten ihre eigenen Lieder überall im Land vor einem riesigen Publikum. Sänger und Politiker standen nebeneinander auf der Bühne, aber nicht zwangsläufig zu eng. Dieses Nebeneinander erlaubte es den Fans beziehungsweise den Wählern im Publikum, ihre Beziehung zueinander unterschiedlich zu deuten.
Der Staatspräsident hatte seinen eigenen Hit
Um in der Marktlogik der Musikindustrie zu bleiben: Die Künstler hatten ihren Namen und ihre Beliebtheit für ein paar Stunden an einen Politiker „vermietet“ und zugleich die Chance genutzt, für ihre eigenen Lieder zu werben. Und Musikfans und Wähler verstanden, dass die Lobhudelei nicht unbedingt die blinde Befürwortung eines Politikers bedeutete, sondern dass es um die Anerkennung und das Geld der politischen Elite ging, ohne sich auf ewig an sie zu binden.
Das ewige Hin und Her zwischen Musikern und Politikern sorgte bisher dafür, dass ihre Beziehung mehrdeutig und ein wenig geheimnisvoll blieb – und genau deshalb funktionierte das Zusammenspiel. Präsident Museveni hatte 2011 sogar seinen eigenen Hit. Er folgte demselben seltsamen Muster, bei dem Musik und Politik sich mischen. Das Lied warb nicht ausdrücklich für die Regierungspartei, doch die Hörer konnten für sich selbst deuten: Was könnte er wohl mit dem Titel „Willst Du einen weiteren Rap” meinen?
Die Beziehung zwischen der neuen Generation ugandischer Stars und Politikern ist noch immer mehrdeutig. Doch das „Tubonga Nawe“-Loblied lässt zu wenig Raum für Interpretationen. Es erinnert an alte Zeiten, als Diktatoren immer Musiker bei sich hatten, die die Regierung für ihre Verdienste priesen. Damals wirkte es, als besäßen die Politiker ihre eigenen Sänger. Doch die neuen Stars in Uganda werden genau deshalb geliebt, weil sie nicht die Marionetten der mächtigen Frauen und Männer sind. Sie haben sich ihre eigene Industrie aufgebaut und sich selbst nach oben gearbeitet.
Autorin
Nanna Schneidermann
lehrt Anthropologie an der dänischen Aarhus-Universität. Sie forscht seit 2004 zu Jugend, Ruhm und Leben in Ugandas wachsender Musikindustrie. Ihr Artikel ist im Original online auf matsutas.wordpress.com erschienen.Für diese Deutung spricht der Kommentar des Sängers Jose Chameleone zu seiner Beteiligung an „Tubonga Nawe“. Er sei so kreativ und unabhängig wie immer, erklärte er in einer Internetzeitung: „Als Musiker habe ich 15 Jahre damit zugebracht, über die Probleme des Landes zu singen, und ich singe sie als Jose Chameleone. Sagt nicht, ich habe Euch betrogen, denn ihr habt mich nie beauftragt. Ich bin kein Politiker, ich habe nur klargemacht, auf welcher Seite ich stehe.“
Auf der einen Seite wollen Musiker nicht als Loblied-Sänger und Betrüger abgestempelt werden, die nur die Agenda ihres politischen Schirmherrn wiederkäuen. Auf der anderen Seite verweigern sie den Bürgern eine Erklärung für ihr Verhalten. Chameleone ist ein Beispiel für die neue Generation von Künstlern, die darauf bestehen, als unabhängige Unternehmer und Vorbilder wahrgenommen zu werden – während sie zugleich die lästigen Pflichten meiden wollen, die das Feld der Politik mit sich bringt. Doch mit dem Singen von Lobliedern für die herrschende Klasse verhallt ihr Wunsch nach Unabhängigkeit zunehmend wie ein hohles Echo.
Aus dem Englischen von Hanna Pütz.
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