Im März dieses Jahres wurden in Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens, sechs Männer und eine Frau verhaftet. Sie waren auf dem Weg nach Nairobi, um dort an einem von Brot für alle mitorganisierten Workshop zu Ernährungssicherheit, Saatgut und Landrechten teilzunehmen. Sieben Monaten wurden sie im berüchtigten Untersuchungsgefängnis Makelawi ohne Anklage festgehalten. Bis Redaktionsschluss Mitte November waren Omot Agwa Okwoy, Ashinie Astin und Jamal Oumar Hojele noch immer in Haft. Die drei wurden am 7. September wegen Verstoßes gegen das drakonische Anti-Terrorismus-Gesetz von Äthiopien angeklagt.
Das ist kein Einzelfall. Wer die äthiopische Regierung kritisiert, wird schnell unter dem eigens dafür sehr breit ausgelegten Anti-Terrorismus-Gesetz zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Unter dem Vorwurf des Terrorismus erstickt die Regierung jeden Freiraum der Zivilgesellschaft, sich für freie Meinungsäußerung, Mitbestimmung und die Rechte indigener Gruppen einzusetzen. Der Einsatz für Menschenrechte ist gefährlich, mitunter sogar lebensgefährlich.
Dies weiß auch die internationale Gebergemeinschaft. Dennoch unterstützen die Weltbank und Länder wie Deutschland, Großbritannien, die USA und die Schweiz unbeirrt die Regierung in Addis Abeba mit großzügigen Entwicklungsgeldern. Äthiopien gilt ihnen als letzter Stabilitätsanker der Region und ist ein wichtiger Wirtschaftspartner dort. Für beides bezahlen Menschen und Gruppen, die sich für eine demokratische Entwicklung des Landes und die Rechte der Minderheiten einsetzen.
Das gilt auch für die drei inhaftierten und jetzt angeklagten Aktivisten. Sie wehrten sich insbesondere gegen die Enteignung großer Landflächen durch von der Regierung geschützte private Unternehmen. 2011 erklärte die Regierung rund vier Millionen Hektar Agrarland als „ungenutzt“ und bot es finanzkräftigen Investoren zur Pacht an. Der Großteil der für Investitionen freigegebenen Landflächen liegt in abgelegenen, fruchtbaren Gebieten wie der südwestlichen Provinz von Gambela. Dort leben die indigenen Völker Majang und Anywaa (Anuak).
Intervention der Anuak bei der Wetlbank
Omot Agwa Okwoy, Pastor der evangelischen Kirche Mekane Yesus, ist Angehöriger der indigenen Anuak. Er arbeitete unter anderem als Übersetzer und Vermittler für eine Untersuchungskommission der Weltbank, die 2014 vor Ort einer Beschwerde der Anuak nachgegangen war. Die Anuak hatten bei der Weltbank interveniert, weil sie ein von der Bank in Gambela finanziertes Projekt als Auslöser für Zwangsumsiedlungen, Vergewaltigungen und weiteren Gewalttaten sehen.
Jamal Oumar Hojele arbeitet für die Assosa Environmental Protection Association. Er setzt sich für den Umweltschutz und die Rechte der Landbevölkerung in der Region von Benishangul-Gumuz nördlich von Gambela ein. Ashinie Astin, der dritte unter den Angeklagten, gehört zu den indigenen Majang aus Gambela. Er ist angeklagt, sich an „terroristischen Aktivitäten“ zu beteiligen. Zu diesen zählt die Regierung das Verfassen eines Berichts über die Abholzung, Enteignung und Umsiedlung der Menschen in Gambela, insbesondere der Majang. Solches Engagement kann in Äthiopien scharf bestraft werden: Wird Pastor Omot verurteilt, drohen ihm zwischen 20 Jahren und lebenslänglicher Haft.
Autorin
Tina Goethe
ist Teamleiterin Recht auf Nahrung bei Brot für alle.Wenn nun aber Menschen, die Landgrabbing und Vertreibungen kritisieren, kurzerhand als Terroristen gebrandmarkt und ins Gefängnis gesteckt werden, dann bleiben die Richtlinien Makulatur und dienen eher den Investoren als der betroffenen Bevölkerung. Die internationale Gebergemeinschaft muss Antworten geben, wie sie Initiativen in Äthiopien, die sich für Menschenrechte und eine demokratische Entwicklung einsetzen, unterstützen und schützen will. In einem Land wie Äthiopien, dessen Regierung maßgeblich von ausländischen Entwicklungsgeldern finanziert wird, tragen die Geldgeber eine Mitverantwortung.
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