Wie funktioniert das Geschäft von Metro in Indien?
Unsere Großmärkte in Indien richten sich an Kunden aus der Gastronomie, Einzelhändler und freie Gewerbetreibende. Das sind immer die Kernzielgruppen beim Cash-and-Carry-Geschäft der Metro Group – mit leichten Unterschieden von Land zu Land. In Indien ist der Anteil der kleinen Einzelhändler an unserer Kundschaft sehr hoch. Dazu kommen freie Gewerbetreibende, Anwaltskanzleien, Behörden oder Kunden aus der Gastronomie.
Wie ist die Struktur des indischen Einzelhandels – welche Rolle haben der Straßenhandel und kleine Läden?
Supermarktketten und riesige Einzelhandelsmärkte sind auf dem Vormarsch – nicht nur aus dem Ausland, auch indische. Das wird in einigen Bundesstaaten von der Regierung sehr kritisch gesehen. Aber vorherrschend sind im Einzelhandel nach wie vor die zahlreichen kleinen sogenannten Kirana-Läden, vergleichbar unseren Tante-Emma-Läden, und Straßenrestaurants, die Dabas. Wir verkaufen unsere Ware und unsere Eigenmarken an fast 200.000 Kirana-Shops, das ist ein Großteil unserer Kundenbasis. Wir unterstützen diese Shops, weil davon beide Seiten profitieren. Wir helfen ihnen zum Beispiel bei der Ausstattung. Wir übernehmen für manche die Planung der Regale, damit die Kunden die Ware besser finden können, oder beraten bei Werbeprospekten. Viele der ganz kleinen Läden brauchen Informationen über Lagerzeiten oder wie man den Warenumschlag verbessert.
Wer sind Ihre Hauptkonkurrenten?
Der größte ist der traditionelle Großhandel. Dazu gehören sehr große Straßenmärkte für Obst und Gemüse, auf denen viele unserer Kunden traditionell einkaufen. Es gibt auch gekühlte Markthallen, doch ihr Anteil ist noch relativ klein. Hier leisten wir Pionierarbeit, wir haben als erste moderne Abhol-Großmärkte ins Land gebracht. Zurzeit übernehmen auch lokale Unternehmen dieses Modell, aber durchgesetzt hat es sich in Indien noch nicht.
Haben kleine einheimische Produzenten eine Chance, Metro zu beliefern?
Uns war von Anfang an klar: Wenn wir den Kirana-Shops moderne Produkte und Lösungen anbieten wollen, dann müssen wir lokale Lieferanten einbeziehen. Sonst könnten wir die Ware gar nicht in der nötigen Qualität anbieten. Deshalb sind wir von Beginn an Kooperationen mit Landwirten eingegangen, um ihnen zu helfen, verlässlich und nach unseren Ansprüchen zu liefern. Zum Beispiel haben wir in einer öffentlich-privaten Partnerschaft, an der auch die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft DEG beteiligt war, lokale Fischer und Farmer bei der Hygiene unterstützt. Es ging um Impfungen von Tieren und um Schulungen, wie man Ware richtig lagert und transportiert. Ein anderes Beispiel: Wir haben für den Obst- und Gemüsemarkt sogenannte Collection Centers eröffnet. Das sind kleine Stationen, an die Farmer vorher vereinbarte Produkte liefern können. Wir geben ihnen eine Abnahme- und eine Preisgarantie und haben eine Art Bankkarte eingerichtet, mit der sie schon einen Tag später an das Geld kommen können.
Ihre Lieferanten in Indien sind vor allem kleine Bauern?
Ja. Das ergibt sich schon aus der Struktur der Landwirtschaft dort. Aber wir wollen auch möglichst nahe am Lieferanten sein, statt die Ware aus dem Norden Indiens in den Süden zu transportieren. Deshalb suchen wir um unsere Großmärkte herum Lieferanten und helfen ihnen, die Standards zu erfüllen, die wir als internationales Handelsunternehmen anlegen müssen. Bei Obst und Gemüse richten wir uns nach dem vorherrschenden globalen Standard für gute Agrarpraxis, dem GLOBALG.A.P. Man kann aber Kleinbauern nicht von heute auf morgen aufbürden, diesem Standard entsprechende und zertifizierte Ware bei uns abzuliefern. Wir helfen ihnen deshalb, Schritt für Schritt Herausforderungen in ihrer Lieferkette zu bereinigen – zum Beispiel zu viele Pestizide oder Probleme mit der Betriebsorganisation, was die nötige Dokumentation erschwert.
Werden Ihre Eigenmarken importiert oder in Indien hergestellt?
Letzteres. Es macht keinen Sinn, sie im Ausland zu produzieren – abgesehen von regionalen Produkten, französischen Wein kann es natürlich nur aus Frankreich geben. Aber Kekse zum Beispiel lassen wir in Indien nach unseren global gültigen Standards herstellen. Dass die indischen Produzenten sich an diese Standards halten müssen, hilft ihnen, wettbewerbsfähig zu werden; auch kleine Firmen können dann exportieren oder Supermarktketten beliefern.
In Indien ist der Lebensmittelhandel streng reguliert. Halten Sie es für möglich, damit das Vordringen von Supermärkten aufzuhalten?
Die Regulierung hat auf das Geschäft von Metro keine direkten Auswirkungen, weil wir im Großhandel tätig sind. Meiner Einschätzung nach werden jedoch mit der Verstädterung unvermeidlich neue Handelsstrukturen entstehen, womit sich auch die indische Regierung auseinandersetzen wird. Für uns als Großhändler ist wichtig, dass wir die Vorzüge unseres Geschäfts in Indien so zum Tragen bringen, dass kleine Händler oder auch Restaurants weiter überleben können. Eine Vielfalt von großen und kleinen gibt es ja auch anderswo.
Das Gespräch führte Bernd Ludermann.
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