Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag dazu bekannt, die Leitlinien umzusetzen; den Nationalen Aktionsplan will sie im Frühjahr 2016 verabschieden. Bis dahin sollen sich Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft unter der Federführung des Auswärtigen Amtes auf eine gemeinsame Vorlage einigen. Diese soll in den zuständigen Ministerien abgestimmt und vom Kabinett verabschiedet werden. Das Deutsche Institut für Menschenrechte und das Forum Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft, Econsense, moderieren den Prozess.
Die Vereinten Nationen haben die Leitlinien Wirtschaft und Menschenrechte 2011 verabschiedet. Sie verpflichten die Staaten, ihre Bürger vor Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu schützen. Sollte es zum Beispiel zu Verstößen gegen internationale Arbeits- und Sozialstandards kommen, müssen die Betroffenen Zugang zu den nötigen Rechtsmitteln erhalten, um vor Gericht ziehen zu können. Großbritannien hat im September 2013 als erstes Land einen Nationalen Aktionsplan vorgelegt, gefolgt von den Niederlanden, Dänemark und Finnland. In Deutschland fehlen teilweise noch die notwendigen Instrumente. Es ist zum Beispiel schwierig, juristisch gegen eine im Ausland operierende Tochtergesellschaft eines deutschen Unternehmens vorzugehen.
Die Zivilgesellschaft fordert mehr Transparenz
Eine Steuerungsgruppe mit Vertretern von Wirtschaftsverbänden, Bundesministerien und der Zivilgesellschaft soll den deutschen Aktionsplan erarbeiten. Das Forum Menschenrechte und der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) vertreten die Zivilgesellschaft. Sie setzen sich für mehr Transparenz in der Berichterstattung multinationaler Unternehmen ein, damit die Öffentlichkeit einen besseren Einblick in die sozialen und ökologischen Folgen ihrer Geschäftspraktiken erhält. Sarah Lincoln von Brot für die Welt ist für das Forum Menschenrechte in der Steuerungsgruppe. Für sie ist entscheidend, dass Wirtschaftsverbände und Wirtschaftsministerium verbindliche Regeln für Unternehmen im Aktionsplan akzeptieren.
Für die weitere Debatte zwischen Wirtschaft und Zivilgesellschaft will das Deutsche Institut für Menschenrechte Anfang Mai eine Bestandsaufnahme mit den wichtigsten Themen vorlegen. Diese sollen anschließend bis Oktober in Fachworkshops vertieft werden. Zu den umstrittenen Themen gehört unter anderem die Außenwirtschaftsförderung des Bundes, der Länder und zum Teil auch der Regionen.
Mit Exportbürgschaften und Investitionsgarantien fördert der Staat die Geschäfte deutscher Unternehmen im Ausland. Allein 2013 wurden nach Angaben des CorA-Netzwerks für Unternehmensverantwortung rund 28 Milliarden Euro für sogenannte Hermesbürgschaften vergeben. Damit versichert der Bund Exporte in risikobehaftete Länder. Was die Bundesländer in diesem Bereich unternehmen, sei noch zu wenig erforscht, meint Heike Drillisch von CorA. Das Netzwerk kritisiert, dass mit den staatlichen Garantien auch zweifelhafte Projekte ermöglicht würden, zum Beispiel umstrittene Staudammbauten. Nach den UN-Leitprinzipien müssten die Staaten bei der Vergabe solcher Kreditgarantien die Wahrung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten beachten. Damit stünde das derzeitige System der Außenwirtschaftsförderung auf dem Prüfstand.
Auch Kommunen sind von den UN-Leitlinien betroffen, zum Beispiel als Miteigentümer von Kohlekraftwerken, die mit importierter Steinkohle befeuert werden. Sie wird häufig aus Abbaugebieten in Kolumbien geliefert, in denen Menschenrechtsverletzungen an der indigenen Bevölkerung dokumentiert sind.
Für Michael Windfuhr vom Deutschen Institut für Menschenrechte handelt es sich bei der Umsetzung der UN-Leitlinien um einen „beispielhaften Prozess“, der von allen beteiligten Interessenvertretern angenommen worden sei. Am Ende wird der Aktionsplan jedoch ein Papier der Bundesregierung sein: Was für Berlin nicht akzeptabel ist, fliegt raus.
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