Globaler Aidsfonds „verwundert“ über Zahlungsstopp

Bis zu zwei Drittel der Hilfe aus dem Globalen Aidsfonds (GFATM) seien Korruption und Untreue zum Opfer gefallen, hieß es Ende Januar in Zeitungsartikeln. Das Entwicklungsministerium zeigte sich „überrascht“ und stoppte alle Zahlungen. Doch von einem solchen Schwund kann keine Rede sein – und das Ministerium wusste das längst. Oder hätte es wissen müssen.

„Ich nehme die Vorwürfe von Korruption gegen den Globalen Fonds in den Medien sehr ernst und gehe davon aus, dass der Fonds unverzüglich Aufklärung schaffen wird“, ließ Minister Dirk Niebel wissen, kaum hatten einige Zeitungen die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) zitiert, bei der Mittelverwendung gebe es Unregelmäßigkeiten. Und weil der Minister dem bei der Weltbank angesiedelten Fonds ohnehin nicht traut, kündigte er neben dem sofortigen Stopp der Geldflüsse gleich noch eine „Sonderprüfung“ an.

Autoren

Tillmann Elliesen

ist Redakteur bei "welt-sichten".

Johannes Schradi

war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.

Man könne Sorgen der Geber über Korruption sehr gut verstehen, sagt Fonds-Sprecher Jon Lidén. „Aber wir sind etwas verwundert über die heftige Reaktion Deutschlands.“ Die Fälle, um die es in der AP-Meldung gehe, seien längst bekannt gewesen; der Generalinspekteur des Fonds selbst habe sie im vergangenen Jahr aufgedeckt. Der Aufsichtsrat des Fonds, in dem alle Geber vertreten sind, habe auf seiner Sitzung im Dezember ausführlich darüber diskutiert und die vom Management eingeleiteten Maßnahmen gutgeheißen.

Der Bericht von Generalinspekteur John Parsons ist im Internet frei zugänglich. Demnach ist es in vier Ländern zu teilweise gravierenden Betrügereien gekommen. In Mali seien von ausgezahlten 11 Millionen US-Dollar für die Bekämpfung von Malaria und Tuberkulose ungefähr 4 Millionen veruntreut worden. Es sei damit zu rechnen, dass auch im Aids-Programm des Landes, das der Fonds mit bisher mehr als 50 Millionen Dollar unterstützt hat, betrogen worden sei. In Mauretanien seien ebenfalls gut 4 Millionen Dollar verschwunden, 67 Prozent der Fonds-Mittel für die Aids-Bekämpfung dort.

In der AP-Meldung heißt es mit Bezug auf diesen Fall, „bis zu zwei Drittel einiger Zuschüsse“ seien von Korruption aufgefressen worden. Die „Süddeutsche Zeitung“ verzichtete in einer Meldung auf das Wörtchen „einige“ und erweckte so den Eindruck, es gehe um zwei Drittel der gesamten Fördermittel. Laut Parsons’ Bericht summiert sich der Fehlbetrag in den vier Ländern Dschibuti, Mali, Mauretanien und Sambia aber nur auf 0,26 Prozent der bisher weltweit vergebenen Zuschüsse in Höhe von 13 Milliarden Dollar. Der Fonds hat die insgesamt fehlenden 34 Millionen Dollar bereits zurückgefordert und teilweise auch schon erhalten. Strafverfahren seien eingeleitet, weitere Zuflüsse an die vier Länder gestoppt worden.

Auf die Frage, warum Niebel erst auf die Medienberichte reagiert habe, antwortete ein Sprecher des Ministeriums, die Berichte hätten deutlich gemacht, dass die Korruptionsfälle schlimmer sein könnten „als vom Fonds bekanntgegeben“. Die den Medien „zu entnehmende Dimension der Mittelfehlverwendung war um so viel größer als die vom Fonds zugestandene, dass sie das BMZ tatsächlich überrascht hat“. Das ist schwer nachvollziehbar, da die Meldung von AP ausschließlich auf Informationen des Globalen Fonds beruht und keine neuen Sachverhalte nennt.

Schlecht informiert zeigte sich auch Niebels Parteifreund Harald Leibrecht, der entwicklungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. In einer Mitteilung Leibrechts heißt es, beim Globalen Fonds seien „wahrscheinlich in vier Ländern Mittel von insgesamt etwa drei Milliarden US-Dollar veruntreut“ worden. Das wäre freilich mehr als das Sechsfache dessen, was diese Länder bisher insgesamt erhalten haben. Die Zahl habe „irgend jemand“ auf einer Ausschusssitzung genannt, hieß es auf Anfrage aus dem Büro des FDP-Abgeordneten.

Die SPD wirft Dirk Niebel vor, er habe die Presseartikel nur genutzt, um die vereinbarten Mittel für den Globalen Fonds zu stornieren. Tatsächlich wollte der Entwicklungsminister schon auf der letzten Geberkonferenz im Oktober 2010 in New York die Überweisungen aus Deutschland einstellen. Erst auf Druck von Bundeskanzlerin Angela Merkel lenkte er ein und sagte bis 2013 jährlich 200 Millionen Euro zu.

Deutschland sei der einzige Geber, der aufgrund der Medienberichte Ende Januar seine Zahlungen gestoppt hat, sagt Fonds-Sprecher Lidén. Schweden hatte bereits vor Monaten erklärt, es werde neue Zusagen verschieben, bis die Korruptionsfälle aufgeklärt seien. Laut Lidén hat sich die Regierung in Stockholm aber mittlerweile zufrieden über das Krisenmanagement des Fonds geäußert und angekündigt, demnächst wieder zu zahlen.

Der Fonds setzt auf Vorschlag des BMZ eine Kommission ein

Bislang hat der Globale Fonds rund 30 seiner insgesamt 145 Projektländer auf Korruption durchleuchtet. Die Forderung des BMZ, die Prüfung auszuweiten und damit unabhängige Fachleute zu beauftragen, sei „eine gute Idee“, sagt Lidén. Der Fonds werde zu diesem Zweck eine internationale Expertenkommission einsetzen. Das Entwicklungsministerium plant dennoch eine „eigenständige Sonderuntersuchung“. Man sei derzeit in Gesprächen mit anderen Gebern wie Schweden, Dänemark und dem UN-Entwicklungsprogramm UNDP über ein arbeitsteiliges Vorgehen.

Allerdings ist das UNDP gar kein Geber des Globalen Fonds. Im Gegenteil: Das UN-Programm verwaltet in einigen Ländern mit schwachen Gesundheitssystemen Fonds-Mittel und ist ein Teil des Problems. Es weigert sich nämlich, seine Bücher zu öffnen, und erschwert die Aufklärung der Korruptionsfälle. In Mauretanien habe man deshalb nur den Verbleib von knapp der Hälfte der Zuschüsse prüfen können, klagt Fonds-Inspekteur Parsons in seinem Bericht. Für 55 Prozent des Geldes seien UNDP-Mitarbeiter verantwortlich und die hätten ihm den Zugang zu Dokumenten und Zeugen verweigert.

 

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erschienen in Ausgabe 3 / 2011: Welthandel: Auf dem Rücken der Armen
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