Ausweg aus der Krise?

Philip B. Smith, Manfred Max-Neef
Economics Unmasked. From Power 
and Greed to Compassion and the Common Good
Green Books, Totnes 2012, 200 Seiten, ca. 16 Euro

Der Buchtitel trifft den Nerv unserer Zeit: Im Flugzeug nach Hongkong interessierte sich ein Mitreisender aus Indien für meine Lektüre, im Zug nach Bamberg wollte mein Gegenüber wissen, ob die Autoren die Finanzkrise erklären könnten und eine Lösung wüssten. Geschrieben wurde der erste Teil des Buches in den ersten Jahren dieses Jahrtausends, also vor der weltweiten Finanzkrise, der zweite Teil folgte, als die Welt schon mitten drin steckte.

Die Autoren: Philip Smith, ein US-amerikanischer Professor für Experimentalphysik, hat sich in seinen späten Jahren mit der Dogmengeschichte der Ökonomie, ihren Brüchen und Widersprüchen auseinandergesetzt. Manfred Max-Neef, Ökonomie-Professor an der Universität Valdivia im Süden Chiles, ist nach eigenem Bekunden Barfuß-Ökonom, Träger des alternativen Nobelpreises und Begründer einer alternativen, ökologisch orientierten Ökonomie. Smith starb 2005, als das Buch halb fertig war, Max-Neef schrieb es in den Jahren danach zu Ende. Beide Autoren plädieren für einen ganzheitlichen Zugriff auf die Wirklichkeit, für ein Weltverständnis, das Gefühl, Intuition und Spiritualität genauso wie das rationale Verstehen einbezieht.

Der erste Teil des Buches ist ein Parforceritt durch die Geschichte der Ökonomie – Aristoteles, Adam Smith, Keynes und Hayek, alle kommen sie vor und werden gegen den Strich gebürstet.  Was die Autoren über die schädlichen Folgen der Deregulierungspolitik der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds in den 1980er und 1990er Jahren sagen, ist nicht unbedingt originell. Unter den Ökonomen der jüngeren Zeit streichen die Autoren die wegweisende Leistung von Amartya Sen für die Analyse und die Bekämpfung von Armut heraus. Nicht alles ist neu, aber die Kapitel sind unterhaltsam geschrieben.

Im zweiten Teil geht es darum, Ansatzpunkte für Ökonomie nach menschlichem Maß zu entwickeln. Offensichtlich gehen die letzten fünf oder sechs Kapitel auf Vorträge zurück, die Max-Neef auf seinen Reisen an vielen Orten der Welt gehalten hat. Sie lassen auch in gedruckter Form die mündlichen Ausführungen erahnen: Wer gesehen hat, wie Max-Neef seine Thesen körpersprachlich untermalt, die Augen in die Ferne gerichtet, mit der Hand aufs Podium trommelnd, wenn er die „Absurditäten der globalen Welt“ anprangert, der mag in ihm einen Propheten einer ökologischen Wende sehen. 

Max-Neef erklärt die mehrfache Krise, in der sich die Welt befindet, und entlarvt die Mythen der Globalisierung. Aber er beschreibt nicht nur den Abgrund, an dessen Rand der Neoliberalismus geführt hat. Er skizziert Möglichkeiten für ein anderes Wirtschaften: lokale und regionale Produktion, Kooperation statt Monopole. Er wiederholt seine Matrix der menschlichen Bedürfnisse und der „satisfier“, die ihn berühmt gemacht hat, berichtet über positive Beispiele für ökologisches Wirtschaften und für Entwicklung nach menschlichem Maß. Und natürlich bekommen am Schluss die Mainstream-Ökonomen noch einmal ihr Fett ab: Die Ökonomie sei die einzige Wissenschaft, in der mit Theorien aus dem 19. Jahrhundert die Probleme des 21. Jahrhunderts angegangen würden – nämlich mit dem Paradigma des Neoliberalismus.

Ob das Buch alle Erwartungen der Leser einlöst, die der Titel neugierig gemacht hat, sei dahin gestellt. Aber es ist ein Buch, das neben kurzweilig vorgetragener beißender Kritik auch Hoffnung macht. (Einhard Schmidt-Kallert)

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