Autor
Johannes Schradi
war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.Kurz bevor SPD und Grüne ihren Antrag stellten, hatte Siemens seinen 34-Prozent-Anteil an Areva NP an den französischen Konzern zurück verkauft, was allerdings erst am 10. April bekannt wurde. Das Unternehmen untermauert damit seine Absicht, zügig aus dem Atomgeschäft aussteigen zu wollen; geplant war der Schritt erst für 2012. Von der Bundesregierung war bislang nur zu hören, im Lichte der „neuen Sachlage" nach Fukushima und unter rechtlichen Gesichtspunkten werde man sorgfältig prüfen, ob man für das brasilianisch-deutsch-französische Atomgeschäft noch eine Hermesbürgschaft aufrecht erhalten könne.
Das BMZ schweigt, obwohl es mitzureden hat
Noch fehlt die Unterschrift der Regierung, aber eine Grundsatzzusage hatte der Interministerielle Ausschuss (IMA), dem auch das Entwicklungsministerium (BMZ) angehört, bereits einhellig erteilt. Weil dabei wie üblich das Wirtschaftsministerium die Federführung hatte, mochte das BMZ zur jüngsten Entwicklung erst einmal nichts sagen, obwohl es durchaus mitzureden hat.
Ob die Hermesbürgschaft bereits deshalb vom Tisch ist, weil Siemens ausgestiegen ist, ist derweil keineswegs sicher. Da der französische Staatskonzern Areva auch im bayerischen Erlangen eine Niederlassung hat, könnte am Ende auch ihm die deutsche Bürgschaft zugute kommen, argwöhnt die Entwicklungspolitikerin Ute Koczy (Grüne). Die Befürchtung ist durchaus begründet: Im Wirtschaftsministerium heißt es, die Hermesbürgschaft erledige sich durch den Siemens-Ausstieg „nicht automatisch". Grüne, SPD und Linkspartei sind schon deshalb verärgert, weil die schwarz-gelbe Regierung nach Amtsantritt sogleich die Vergabekriterien für Hermesbürgschaften gelockert und das von Rot-Grün 2001 erlassene Exportverbot für Nukleartechnologie gekippt hatte. Seit Ende 2009 wurden laut Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei elf Exportkreditgarantien für Atomtechnik-Lieferungen übernommen: neben Brasilien für China, Frankreich, Japan Südkorea, Litauen, Russland und Slowenien.
Den weitaus größten Brocken macht mit 1,3 Milliarden Euro die Lieferung von Komponenten für Angra III aus. Nur rund 100 Kilometer von Rio de Janeiro entfernt und zudem in einem erdbebengefährdeten Gebiet gelegen, fehle es dort an nahezu allem Nötigen, sagt Barbara Happe von Urgewald: an einer Sicherung gegen Flugzeugabstürze, an ausreichendem Katastrophenschutz, an einer halbwegs akzeptablen Zwischenlagerung. Das wisse auch die Bundesregierung. Schließlich sei zu diesem Ergebnis schon vor längerem auch das Institut für Sicherheitstechnologie (ISTec) in Garching in einem Sondergutachten gekommen.
Dazu passt, dass der Chef der brasilianischen Atomaufsichtsbehörde Ende März seinen Hut nehmen musste, weil das Atomkraftwerk Angra II seit Jahren ohne Betriebsgenehmigung läuft. Und Angra II wie Angra III würden nach deutschen Maßstäben heute keine Baugenehmigung mehr erhalten: wegen veralteter Technologie ähnlich der von Biblis A, das soeben abgeschaltet wurde.
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