Rund ein Viertel der Weltbevölkerung lebt laut dem neuen Weltentwicklungsbericht im Schatten von organisierter Gewalt. Die Zahl der Kriege und Bürgerkriege sowie der Kriegsopfer sei deutlich gesunken, aber das Ausmaß der kriminellen Gewalt, gerade nach Kriegen, stark gestiegen. Sie vermische sich mit politischer Gewalt und beide bestärkten sich gegenseitig. Begünstigt werde Gewalt von Stressfaktoren wie Armut, Jugendarbeitslosigkeit sowie Ungleichheit. Das ist nicht falsch, blendet aber spezifisch politische Dynamiken von Bürgerkrieg und Staatsaufbau weitgehend aus. Dafür stellt der Bericht erfreulicherweise auch äußere Stressfaktoren wie den internationalen Drogenhandel heraus. Entscheidend sei aber, ob ein Land legitime staatliche und soziale Institutionen besitze – die könnten auch unter großem Stress Gewaltausbrüche einhegen.
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Um eine Gewaltspirale zu brechen, muss laut dem Bericht kurzfristig Vertrauen aufgebaut werden. Der Staat solle „ausreichend breite Koalitionen“ in der Gesellschaft bilden und Reformen einleiten, die schnell in drei Bereichen Wirkung zeigten: öffentliche Sicherheit, Justiz sowie Einkommenschancen. Langfristig müssten legitime Institutionen aufgebaut werden. Das brauche mindestens eine Generation Die Weltbank warnt vor Patentrezepten wie freien Wahlen und fordert lokal angepasste Schritte (auch solche, die sie sonst skeptisch sieht wie öffentliche Beschäftigungsprogramme). Sie nennt jedoch allgemeine Grundsätze dafür, etwa den Aufbau der Polizei von Anfang an mit dem der Justiz zu verbinden.
Spannend sind die Abschnitte zur internationalen Hilfe. Die habe Ländern wie Mosambik und Osttimor zum Frieden verholfen, sei aber nicht auf das neue Problem der zugleich politischen und kriminellen Gewalt eingestellt. Hier würden integrierte Programme für Sicherheit, Justiz und Beschäftigung gebraucht. Doch die Diplomatie, die Sicherheits- und die Entwicklungspolitik folgten verschiedenen Zielen und Entscheidungsprozessen. Die Entwicklungshilfe schwanke ausgerechnet für schwache Staaten stark, sei in kleine Projekte zersplittert, umgehe einheimische Institutionen und ziele auf einzelne Staaten statt auf Konfl iktregionen. Mit Rücksicht auf die Innenpolitik scheuten die Geberländer riskante, langfristige und wenig sichtbare Hilfe, und ihre Prozeduren –auch der Weltbank – überforderten oft schwache Staaten.
Der Bericht fordert hier Strukturreformen. Entwicklungsagenturen müssten sich schneller, flexibler und langfristiger engagieren und mehr Fehlschläge riskieren. In den UN fehle ein Gremium, das internationale Justizhilfe anführen kann. Die Weltbank fordert auch, „äußere Stressfaktoren“ wie illegale Finanzflüsse international anzugehen. Speziell den Drogenhandel könne man nicht nur mit Produktions- und Handelsbeschränkungen in den Griff bekommen, sondern müsse auch Schritte in den Konsumentenländern prüfen. Das ist beachtlich, weil die USA jede Debatte über eine andere Drogenpolitik verweigern. Die kritischen Teile zu internationalen Einwirkungen sind eine große Stärke des wichtigen Berichts.
http://wdr2011.worldbank.org
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