Shoppen für Afrika

Prominente wie Bono, Madonna und Bill Gates engagieren sich auf vielfältige Weise für die Ärmsten in Entwicklungsländern. Bei manchen Initiativen sind aber Zweifel angebracht, wer davon eigentlich profitiert. So lockt etwa „Product (RED)" mit dem Kauf von Luxusprodukten, aus deren Erlös Medikamente für Aidskranke bezahlt werden. Das hebt den Gewinn und das Image der Firmen und vermittelt den Kunden ein gutes Gefühl. Die Ursachen von Armut und Krankheit bleiben indes bestehen.

Die politische Rechte in den USA attackiert die Entwicklungshilfe seit Jahrzehnten. Doch jetzt wird sie zunehmend auch in europäischen Ländern angegriffen, die bislang zu ihren eifrigsten Unterstützern zählten. Die Hilfe wirke nicht, sie sei verschwenderisch, die Privatwirtschaft bringe Entwicklung besser voran, lauten die Argumente. Die internationale Helfergemeinde reagiert darauf mit neuen öffentlich-privaten Partnerschaften und versucht, die Vergabe von Entwicklungshilfe zu reformieren.

Autoren

Lisa Ann Richey

ist Professorin für Entwicklungsstudien an der Universität Roskilde.

Stefano Ponte

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Internationale Studien in Kopenhagen.

Auch die Beteiligung von Prominenten, die Druck auf Politiker ausüben für eine bessere und großzügigere Hilfe, vor allem für Afrika, zählt zur Antwort auf die Kritik. Allerdings haben kritische Medienberichte zum Schulbau-Projekt der Popsängerin Madonna in Malawi deutlich gemacht, dass solche Prominenz die öffentliche Wahrnehmung auch auf die Schattenseiten vermeintlich guter Anliegen in Afrika lenken kann.

Ähnlich gelagert waren die Presseberichte Anfang des Jahres über Korruption beim Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria: In aller Welt erschienen über 250 Artikel dazu, mit Titeln wie „Missbrauch erschüttert den von Bono geförderten Gesundheitsfonds". Wären die Medien ebenso aufmerksam, wenn es um Verschwendung in irgendeiner beliebigen Privatschule in Malawi gegangen wäre? Oder um Korruption irgendwo bei den Vereinten Nationen? Wahrscheinlich nicht. Und doch hat Deutschland als Reaktion seinen Beitrag zum Globalen Fonds zurückgestellt, was die medizinische Fachzeitschrift „The Lancet" als eine „überwiegend symbolische PR-Aktion" bezeichnet hat.

Es ist bekannt, dass Prominente den Globalen Fonds unterstützen, und in kaum einem Nachrichtenbeitrag über die Korruptionsgeschichte fehlte der Verweis auf den irischen Rockstar Bono oder den amerikanischen Menschenfreund Bill Gates. Solche Stars schaffen Aufmerksamkeit und schüren Emotionen. Aber jetzt hatten Medien die Gelegenheit, Missmanagement und Geldverschwendung in der Entwicklungshilfe mit Prominenten in Verbindung zu bringen - und das hat den schlechten Eindruck in der Öffentlichkeit zusätzlich verstärkt. Die Leute wollen jetzt wissen, was eigentlich mit „Bonos Fonds" oder in „Madonnas Malawi" passiert. Und wie das normalerweise in Medien ist, die sich auf Stars und Sternchen stürzen, erfährt man aus ihren Geschichten wenig darüber, was im Globalen Fonds und den Ländern, in denen er arbeitet, oder im Bildungsbereich in Malawi tatsächlich passiert.

Wir haben dieses Phänomen und die Rolle von Prominenten in der Entwicklungshilfe in unserem Buch „Brand Aid: Shopping Well to Save the World" unter die Lupe genommen. Wenn Prominente gleichzeitig für ein Markenprodukt und für ein ehrenwertes Anliegen werben, nennen wir das „Brand Aid" - Hilfe für und mit Markenartikeln. Ein bekanntes Beispiel ist „Product (RED)", eine Initiative, bei der verschiedene Hersteller ihre Produkte gemeinsam vermarkten und zugleich eine neue Form der Entwicklungshilfe schaffen. Bei RED bieten Kultmarken wie Apple, Emporio Armani, Starbucks, Nike oder Hallmark bestimmte Produkte an und spenden einen Teil ihrer Profite dem Globalen Fonds für den Kauf und die Verteilung von Aids-Medikamenten in Afrika. „Brand Aid" hilft den beteiligten Marken, weil sie den Verkauf und das Image fördert. Zugleich macht „Brand Aid" aus Entwicklungshilfe eine Marke, indem sie diese als effizient und innovativ anpreist, da sie kommerziell orientiert sei und nicht nur auf Menschenliebe beruhe. Nach eigenen Angaben hat „Product (RED)" seit dem Start 2006 auf diese Weise gut 170 Millionen Dollar eingenommen.

Prominente sind wichtig, um den Massen Produkte zu verkaufen. Und „Brand Aid" macht aus der Entwicklungshilfe eine weitere vermarktbare Ware. Auf der RED-Website heißt es: „Es gibt hunderte Wege, sich am Kampf gegen Aids in Afrika zu beteiligen." Damit ist aber nicht etwa gemeint, Kondome zu verteilen und die Lage von Frauen zu verbessern. Es geht auch nicht um eine bessere Verständigung zwischen Ehepartnern oder die Einrichtung von Gesundheitszentren. Oder um wirksame Mikrobizide gegen Krankheitserreger oder die Beseitigung von wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ungleichheit.

Nein, die „hunderte Wege", die auf der RED-Website in Gestalt kleiner, bunter Bilder über den Schirm wandern, sind Konsumgüter: Grußkarten, Coffee To Go, extravagante Computer und Turnschuhe, Kinderwagen und schicke Sonnenbrillen. Produktwerbung und Fundraising sind eins bei RED. Wir sind daran gewöhnt, dass Prominente Autos oder Songs verkaufen. Prominente, die Entwicklungshilfe verkaufen, sind vertraut und neu zugleich. Bei RED sehen wir Stars, die uns die Möglichkeit verkaufen, Menschenleben zu retten.

Bei „Product (RED)" fordern Prominente die Konsumenten auf, etwas Gutes zu tun, indem sie Kultprodukte kaufen und auf diesem Weg jemandem in weiter Ferne helfen - Afrikanern mit Aids. Das ist etwas ganz anderes als Afrika zu helfen, indem man tatsächlich Produkte von dort kauft. Oder darauf achtet, dass Waren unter Einhaltung hoher Sozial-, Arbeits- und Umweltstandards hergestellt werden.

Bono von der irischen Rockgruppe U2, der Mitgründer von RED, stellte die Initiative 2006 beim Weltwirtschaftsforum im Schweizer Skiort Davos vor. Anschließend trat er bei prominent besetzten Produkteinführungen auf, etwa für Mode aus dem Hause Armani. Dort sagte er: „Sie kaufen hier ein RED-Produkt, und der Hersteller kauft lebensrettende Medikamente für jemanden (in Afrika). Darum geht's. Also: Warum nicht shoppen bis es (Aids) beseitigt ist? Warum nicht ein wenig Erleuchtung von der Stange?" Das Verlockende an dieser simplen Wahrheit aus dem Munde eines Rockstars ist, dass sie jedem die Möglichkeit bietet, sich als Held zu fühlen, ohne dafür allzu viel investieren zu müssen. In der Weltsicht von „Brand Aid" ist es möglich, so viel zu haben wie du willst, ohne damit jemand anderem zu schaden.

„Brand Aid" bietet eine einfache Lösung für gegenwärtige Entwicklungskrisen - eine Lösung, die es Unternehmen ermöglicht ihr soziales Image zu verbessern, ohne dass sie ihre alltäglichen Geschäftspraktiken ändern müssen. Und die Kunden können sich auf billige Art als Helden fühlen, ohne dass sie sich ernsthaft mit der globalen Verflechtung von Produktion und Konsum oder den Kämpfen von Menschen, die mit HIV und Aids leben, beschäftigen müssen. Bei „Product (RED)" lenken Prominente die Aufmerksamkeit weg von einem bewussten Konsum, der auf der Information zu Produkten beruht, hin zu einem mitfühlenden Konsum, der auf Mitleid beruht. Das ist noch problematischer als das Risiko einer schlechten Presse, das Rockstars und Popsängerinnen der Entwicklungshilfe bescheren können.

Lisa Ann Richey, Stefano Ponte
Brand Aid: Shopping Well to Save the World,
University of Minnesota Press, 2011,
288 Seiten, 13,99 Euro

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erschienen in Ausgabe 6 / 2011: Wir konsumieren uns zu Tode
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