„Ich zahle nicht für Unterlassen“

Es sollte ein Musterprojekt werden: Die Staatengemeinschaft zahlt Ecuador dafür Geld, dass es auf die Ölförderung im Regenwald-Nationalpark Yasuni verzichtet. Doch jetzt droht das Projekt zu scheitern – nicht zuletzt weil sich das Entwicklungsministerium (BMZ) weigert, Gelder beizusteuern.

Kommentar: Von Niebel kein Blick nach vorn

„Natürlich weiß niemand genau, was die Zukunft im Zeitalter der Globalisierung bringt. Aber wir wissen: Der Lebensstandard der Bürgerinnen und Bürger in ...

Geradezu wütend reagierte Entwicklungsminister Dirk Niebel laut Spiegel online unlängst auf die Ankündigung Italiens, das Yasuni-Projekt mit 35 Millionen Euro Schuldenerlass für Ecuador zu unterstützen. Das Land solle erst einmal seine eigenen Finanzen in Ordnung bringen, polterte der Minister – und wiederholte, was er seit Monaten sagt: „Ich zahle nicht für Unterlassen.“ Sich am Yasuni-Projekt zu beteiligen, schaffe „einen Präzedenzfall mit unabsehbaren Weiterungen“. Schnell könnten andere Länder ebenfalls die Hand aufhalten. 50 Millionen Euro Beteiligung hatte der frühere BMZ-Staatssekretär Erich Stather der so genannten ITT-Initiative in Aussicht gestellt. Geld, das Niebel jetzt lieber sparen möchte.

Zweck der Initiative ist es, Ecuador dafür zu entschädigen, dass es die Erdölfelder nicht ausbeutet, die unter dem Yasuni-Regenwald mit seiner weltweit einzigartigen biologischen Vielfalt liegen, und die dort lebenden Indigenen in Ruhe lässt. Auf die Mittel dafür, die die internationale Gemeinschaft auftreibt, will Präsident Rafael Correa noch einmal so viel drauflegen. Begleitet vom UN-Entwicklungsprogramm UNDP soll das Geld für die Erschließung erneuerbarer Energien, die Pflege der Regenwälder und den Schutz der Indigenen Ecuadors verwendet werden. Der Start ist für 2012 geplant. Allerdings nur dann, wenn bis Ende dieses Jahres im Yasuni-Treuhandfonds 100 Millionen US-Dollar eingezahlt werden. Bis jetzt sind es 55 Millionen. Ohne nennenswerten deutschen Beitrag ist das Ziel kaum zu erreichen. Sie verstehe die deutsche Zögerlichkeit nicht, erklärte Ute Koczy von den Grünen Mitte Oktober nach ihrer Rückkehr mit einer Parlamentarier-Abordnung aus dem Yasuni-Gebiet. „Es wäre doch gut, wenn ITT zu einem Präzedenzfall würde.“ Auch anderswo wäre es besser, das Öl bliebe im Boden, statt Lebensräume einzuschränken und die Umwelt zu schädigen. Ihr Resümee: „Minister Niebel ist halt ein Blockierer.“

Allerdings ist auch der Yasuni-Aktivistin Yvonne Yanez von der ecuadorianischen NGO Acción Ecológica nicht ganz wohl bei der Sache. Zu Besuch in Berlin verficht sie zwar glühend das Projekt, das auch in der Bevölkerung Ecuadors enormen Zuspruch finde. Aber sie stört, wie Präsident Correa damit umgeht. Zwar befürworte er die Initiative, drohe aber mit Ölförderung, sollte der ITT-Fonds nicht im erforderlichen Umfang zustande kommen. Was ist gewonnen, fragt man denn auch im Entwicklungsministerium, wenn irgendwann doch Öl gefördert wird, trotz zuvor geflossener Hilfsgelder?

Aber zu allem komplett Nein sagen, will auch das BMZ nicht. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linkspartei heißt es, man unterstütze die Ziele der ITT-Initiative durchaus, halte andere Instrumente wie die Berücksichtigung von Wäldern im Emissionshandel (REDD) aber für geeigneter. Auch sei man bereit, zum laufenden ecuadorianischen Waldschutzprogramm „Sociobosques“ zehn Millionen Euro beizusteuern, um es auf den Yasuni-Nationalpark auszudehnen.

Die BMZ-Kritiker überzeugt das nicht. Die Einbeziehung von Wäldern in den Emissionshandel bleibe hinter der ITT-Idee weit zurück, bemängeln sie. Sozialstandards und der Schutz von Indigenen blieben unterbelichtet. Die Sorge, Ecuador könne eines Tages doch Erdöl fördern, sei zudem unbegründet. Dann müsse Ecuador das Geld laut den strikten Fondsregeln zurückzahlen.

 

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erschienen in Ausgabe 11 / 2011: Nigeria: Besser als sein Ruf
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