50 Jahre große Koalition

Erhard Eppler dürfte kaum überrascht gewesen sein, dass er zum 50. Jubiläum des Entwicklungsministeriums (BMZ) nicht reden durfte. Der SPD-Mann, von 1968 bis 1974 BMZ-Chef, wollte in seinem „Grußwort“ unter anderem darauf hinweisen, dass Kritik von Vorgängern an amtierenden Ministern bislang tabu war – um dann genau dieses vermeintliche Tabu zu brechen: Am Ende wollte Eppler laut Redetext eine kaum verhohlene Breitseite gegen die Amtsführung von Dirk Niebel feuern. Dass der auf der Geburtstagsfeier seines Hauses darauf keine Lust hatte, kann man verstehen.

Autor

Tillmann Elliesen

ist Redakteur bei "welt-sichten".

Eppler wollte an die Tradition des BMZ und an die Kontinuität in der deutschen Entwicklungspolitik erinnern. Das war als Retourkutsche zu Niebels viel zitiertem Spruch gedacht, das Ministerium, das er einst abschaffen wollte, gebe es nicht mehr. Die SPD-Entwicklungspolitiker haben auf diese schlagfertige Antwort des Ministers auf seine Kritiker eher humorlos und dünnhäutig reagiert. Dabei ist der FDP-Mann ja nicht der erste, der mit Traditionen und Kontinuitäten bricht und das Ministerium nach seinen Vorstellungen umbaut und neu ausrichtet. Seine sozialdemokratische Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hat das vor zehn Jahren genauso gemacht, und auch damals gab es Proteste und große Unruhe im BMZ. Wie eine neue Strategie umzusetzen ist, entscheidet die Leitung, lautete seinerzeit die Basta-ähnliche Antwort ihres Staatssekretärs.

In der 50-jährigen Geschichte des BMZ gab es bislang zwei Arten von Ministern und Ministerinnen: Die einen haben eher wenig Ehrgeiz, der Entwicklungspolitik ihren Stempel aufzudrücken, und machen einfach da weiter, wo ihr Vorgänger oder ihre Vorgängerin aufgehört hat. Die anderen stürzen sich voller Elan in den Job, wollen etwas verändern und machen den erforderlichen Wirbel darum. Das sind Leute, die notgedrungen anecken und Widerstände auslösen. Erhard Eppler und Heidemarie Wieczorek-Zeul gehören dazu. Von ihnen gab es in den vergangenen fünf Jahrzehnten viel zu wenige, von den anderen, die auf Tradition und Kontinuität setzen, hingegen zu viele.

Oft wird gelobt, in Deutschland gebe es einen parteiübergreifenden Konsens über zentrale Fragen der Entwicklungspolitik. Man kann das auch weniger wohlwollend sehen: Es gibt seit je eine informelle große Koalition in der Entwicklungspolitik, in der sich die grundsätzlichen Positionen nur unwesentlich voneinander unterscheiden – ein Zustand, der in anderen Politikbereichen als schädlich gesehen wird, weil er fruchtbaren Streit verhindert und den Blick auf Alternativen versperrt.

Es gibt zu viel Weiter-so in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, mit dem man sich quer durch die Parteien und entwicklungspolitischen Organisationen eingerichtet hat und das man nicht grundsätzlich hinterfragt. Erhard Eppler weist in seiner nicht gehaltenen Rede darauf hin, dass er schon vor vierzig Jahren versucht habe, die Arbeit der Geber und der nichtstaatlichen Hilfsorganisationen stärker zu bündeln. Bis heute sei man offenbar nicht viel weiter gekommen. Das ist ein Armutszeugnis – nicht nur, aber auch für die deutsche Entwicklungspolitik.

In welche Ministerkategorie Dirk Niebel gehört, ist noch nicht klar. Auf den ersten Blick in die zweite: Der frühere FDP-Generalsekretär hat energisch einige sinnvolle Reformen vorangetrieben. Wobei sich erst noch zeigen muss, ob Neuerungen wie die Fusion der technischen Zusammenarbeit oder der Ressortkreis Internationale Zusammenarbeit, in dem sich die Ministerien untereinander abstimmen sollen, in der Praxis wirklich etwas ändern. Erfreulich ist auch, dass Niebel durch beharrliches Pochen auf die Frage der Wirksamkeit der engstirnigen Debatte um die Höhe der Entwicklungshilfe ein wenig Wind aus den Segeln genommen hat.

Möglicherweise aber begründet Niebel auch eine neue, dritte Kategorie von Ministern, die zwar mächtig auf die Pauke hauen, aber eigentlich kein Konzept haben. Entwicklungspolitik müsse in der Mitte der Gesellschaft verankert werden, lautet das Mantra des Liberalen. Das mag sein, ist aber nicht die vorrangige Aufgabe seines Ministeriums. Das BMZ ist keine Bürgerinitiative, sondern ein Instrument zur Gestaltung staatlicher Politik. Und wie er dieses Instrument zu nutzen gedenkt, bleibt bei Niebel reichlich nebulös. „Entwicklungspolitik als globale Strukturpolitik – das ist mein Thema“, sagte der FDP-Mann unlängst. Diesen Begriff hat freilich seine Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul geprägt, deren Ministerium er doch angeblich abgeschafft hat.

 

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erschienen in Ausgabe 12 / 2011: Bodenschätze: Reiche Minen, arme Länder
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