Sanktionen gegen Ruanda sind überfällig

Tagebau auf einem Hügel, Arbeiter schleppen Säcke oder arbeiten an großen Becken, hinten jenseits eines Tales grüne Hügel.
Baz Ratner/Reuters
In dieser Mine im Ostkongo nahe Goma wird 2019 Coltan abgebaut.
Krieg im Ostkongo
Nur mit Hilfe Ruandas können die M23-Rebellen im Ostkongo vorrücken. Ruanda plündert dort seit langem Rohstoffe. Europa muss seine skandalöse Rohstoff-Kooperation mit Kigali endlich beenden.

Frederic Mousseau ist politischer Direktor des Oakland-Instituts in Kalifornien. Der Ökonom hat zuvor fast 20 Jahre für internationale Organisationen wie Action Against Hunger, Ärzte ohne Grenzen und Oxfam gearbeitet.

Die Rebellen der M23 und die ruandischen Streitkräfte haben Ende Januar die Stadt Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK) erobert; Hunderttausende Zivilisten sind vor ihrem Vormarsch geflohen. Und fast genau ein Jahr vor dieser neuen Offensive haben die Europäische Union (EU) und Ruanda eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Versorgung mit „kritischen Mineralien“ unterzeichnet. 

Diese Vereinbarung ist erschreckend. Denn sie ignoriert völlig, dass Ruanda seit 30 Jahren dazu beiträgt, den Krieg im Osten der Demokratischen Republik Kongo anzuheizen – entweder direkt mit eigenen Streitkräften oder mit Unterstützung für bewaffnete Gruppen, die für Ruandas Ziele kämpfen. Die Folgen waren der Tod von Millionen Menschen, Vertreibungen in großem Ausmaß und unermessliches Leid für viele Kongolesen. 

Ruandas Präsident Paul Kagame rechtfertigt jetzt den neuen Krieg mit der Sorge um Frieden und Sicherheit für die ethnische Gruppe der Tutsi, die 1994 Ziel des Völkermords in Ruanda war. Tatsächlich treibt aber Ruandas illegaler Abbau der wertvollen Mineralien im Ostkongo, darunter Gold und die weltweit größten Reserven an Kobalt (für Batterien) und Coltan (für moderne technische Geräte), die Verheerung an. Erst Ruandas Unterstützung hat es der Rebellengruppe M23 ermöglicht, einen Großteil des Ostkongo unter Kontrolle zu bringen, viele Minen zu erobern und Massaker und schwerste Menschenrechtsverletzungen zu begehen. 

Die Herkunft aus dem Kongo ist bekannt

Es ist falsch und unmoralisch, dass die EU überhaupt so ein Abkommen mit einem Land schließt, das für so viel Leid verantwortlich ist. Noch schlimmer aber wird es dadurch, dass die Vereinbarung vom Februar 2024 die Rolle Ruandas bei der illegalen Rohstoffgewinnung ignoriert. In den vergangenen zehn Jahren hat Ruanda viel mehr Coltan exportiert, als es in den Minen in Ruanda abbaut. Man schätzt, dass bis zu 90 Prozent der ruandischen Coltan-Exporte illegal aus dem Osten der Demokratischen Republik Kongo stammen und Wege nehmen, die Global Witness als riesigen „Waschsalon“ bezeichnet. 

Aber die europäischen Bürokraten, die das Abkommen ausgearbeitet haben, haben hineingeschrieben: Ruanda „ist ein wichtiger Akteur in der weltweiten Tantalförderung. Es produziert auch Zinn, Wolfram, Gold und Niob und verfügt über Potenzial für Lithium und Seltene Erden.“ Weiter steht dort: „Darüber hinaus kann Ruanda mit seinem günstigen Investitionsklima und seiner Rechtsstaatlichkeit zu einem Zentrum der Wertschöpfung im Bergbausektor werden. Eine Goldraffinerie gibt es bereits, eine Tantalraffinerie wird bald in Betrieb gehen.“ 

Eigene Gesetze einfach nicht anwenden

In der EU gelten – wie auch in den USA – Rechtsvorschriften, die die Nutzung von Konfliktmineralien aus der DRK verhindern sollen. Aber die mehr als wohlwollenden Formulierungen über Ruanda und sein Geschäftsklima in der Vereinbarung mit der EU legen den Schluss nahe, dass Brüssel bewusst entschieden hat, trotz der gut dokumentierten unerhörten Vorgänge die europäischen Gesetze hier nicht durchzusetzen.  

Die DRK hat die Hoffnung auf westliche Regulierungsbehörden verloren und im Dezember 2024 Strafanzeige gegen Tochtergesellschaften von Apple in Frankreich und Belgien eingereicht. Das Land beschuldigt das Technologieunternehmen, in seiner Lieferkette Konfliktmineralien zu verwenden. Laut den Anwälten der Regierung der DRK ist Apple dafür verantwortlich, „Kriegsverbrechen und das Waschen von schmutzigen Mineralien zu vertuschen, gestohlene Waren zu verwenden und betrügerische Geschäftspraktiken zu nutzen, um Verbrauchern zu versichern, dass die Lieferketten sauber seien“.

Waschsalon statt Zertifizierung

Das zeigt das eklatante Versagen der Rückverfolgungssysteme, die angeblich eingeführt wurden, um das Problem der „Konfliktmineralien“ zu lösen. Seit 2010 soll die International Tin Supply Chain Initiative sicherstellen, dass Zinn in der Region der Großen Seen zur Quelle zurückverfolgt werden kann. Sie ist in über 2000 Minen tätig und von der Responsible Minerals Initiative und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OSZE) anerkannt. Doch statt zu verhindern, dass Konfliktmineralien in globale Lieferketten gelangen, wurde das System genutzt, um Konfliktmineralien aus der Demokratischen Republik Kongo zu waschen oder in Nachbarländer zu schmuggeln. So konnten illegal zertifizierte Mineralien in Produkten von Marken wie Apple, Intel, Samsung, Nokia, Motorola und Tesla landen.

Dass die Konfliktmineralien im Osten der Demokratischen Republik Kongo Gewalt und Schrecken ausgelöst haben, ist den Regierungen, den Unternehmen und deren Aktionären bekannt. Seit Jahren schlagen die UN Alarm, weil Ruanda die M23 fortwährend unterstützt; sie dokumentieren die direkte Beteiligung ruandischer Streitkräfte an dem Krieg sowie die Lieferung von Waffen und Munition an die Rebellen. 

Warum Kigali  freie Hand hat

Dennoch unterstützen die westlichen Länder weiterhin treu Ruanda. Allein die USA haben von 2001 bis 2022 mehr als 3,9 Milliarden US-Dollar Wirtschaftshilfe für das Land bereitgestellt und es erst im Oktober 2023 auf eine schwarze Liste für Militärhilfe gesetzt, weil es mit der Unterstützung für die M23, die Kindersoldaten rekrutiert, gegen ein Gesetz gegen den Einsatz von Kindersoldaten verstößt. 

Großbritannien hat gezögert, Ruanda zu kritisieren, geschweige denn die Militärhilfe einzustellen, weil es mit dem Land über einen Pakt zur Abschiebung von Migranten verhandelte. Frankreich und die EU haben Ruanda zwar öffentlich angeprangert, aber nicht die Militärhilfe eingestellt, und sie setzen die Zusammenarbeit fort, wie der Handel mit Mineralien zeigt. 

Abgesehen von der Gewalt haben der Krieg und die Ausbeutung der Bodenschätze im Ostkongo auch verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes: Der Krieg bindet finanzielle Mittel und verhindert, dass die Einnahmen aus dem Abbau von Bodenschätzen in die Staatskasse fließen. Armut und Hunger sind weit verbreitet, es fließt viel zu wenig Geld in grundlegende Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung. 

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Die Lage von Ländern, die aus ihren eigenen Naturschätzen keinen wirtschaftlichen Nutzen ziehen, ist als Ressourcenfluch bezeichnet worden. Angesichts der Kräfte, die die Ressourcenausbeutung und die Gewalt vorantreiben und davon profitieren, ist aber kein Fluch verantwortlich, sondern die Gier und die zynische Haltung von Regierungen und Unternehmen.

Am 25. Januar 2025 erklärte die EU, Ruanda müsse „seine Unterstützung für die M23 einstellen und sich zurückziehen“, und warnte, dass sie „alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel in Betracht ziehen wird, um die zur Rechenschaft zu ziehen, die für die Fortdauer des bewaffneten Konflikts, der Instabilität und der Unsicherheit in der DRK verantwortlich sind“. Sanktionen gegen Ruanda sind offensichtlich längst überfällig. Ein einfacher erster Schritt für Europa wäre, die Vereinbarung zu kündigen, die von vornherein nie hätte unterzeichnet werden dürfen. Der nächste Schritt muss sein, die Vorschriften und Gesetze zu Konfliktmineralien durchzusetzen, die bisher nicht angewendet werden.

Der Text ist zuerst online bei IPS erschienen. Aus dem Englischen von Bernd Ludermann.

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