„Ernst nehmen, nicht belehren“

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Ingrid Rosenburg/Stiftung Nord-Süd-Brücken
"Neuruppin bleibt bunt" lautet das Motto der Demonstration Anfang Juni in der brandenburgischen Kleinstadt, die am selben Tag auch Station der Sommerradtour des Eine-Welt-Programms Weltoffen Solidarisch Dialogisch durch Ostdeutschland war. Das Programm engagiert sich für friedliche und inklusive Gesellschaften im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele.
Eine-Welt-Arbeit
Nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen befürchten Verbände und Initiativen, dass Eine-Welt-Arbeit in Ostdeutschland noch schwieriger wird. Unter Aktiven, die die praktische Arbeit machen, ist klar: Man muss auch mit Andersdenkenden im Gespräch bleiben.

Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen haben extrem rechte und populistische Parteien teils deutlich dazugewonnen: Die AfD ist in Thüringen jetzt die stärkste Partei und das BSW von Sahra Wagenknecht konnte aus dem Stand zweistellig in beide Landtage einziehen. Franziska Weiland vom Eine-Welt-Landesnetzwerk Thüringen befürchtet, dass sich die Bedingungen für entwicklungspolitische Bildungsarbeit in ihrem Bundesland dadurch weiter verschlechtern. Schon unter der Regierung von Linken, Grünen und SPD sei es nicht leicht gewesen, etwa bei der Bewilligung von Fördermitteln für Kampagnenarbeit oder für Projekte zum globalen Lernen. Und das könnte sich nun noch verschärfen, fürchtet Weiland.

In den ostdeutschen Bundesländern gibt es in der Regel weniger Geld für Eine-Welt-Arbeit als in Westdeutschland, betont Andreas Rosen, Politischer Geschäftsführer der Stiftung Nord-Süd-Brücken in Berlin, die ostdeutsche Vereine, Organisationen und Initiativen unterstützt. „Die Organisationen hier hängen viel stärker als in den meisten westlichen Bundesländern vom Entwicklungsministerium und Geldgebern wie Brot für die Welt und die Stiftung Nord-Süd-Brücken ab“, sagt Rosen. Und das könnte sich nach dem Rechtsruck verstärken, wenn Mittel in den Ländern gekürzt werden.

Das Erstarken der AfD könnte außerdem dazu führen, dass diese die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen noch stärker mit allerlei Schikanen zu torpedieren versucht. „Die stellen in Kreis- und Landtagen am laufenden Band Anfragen zu Kampagnen und Initiativen. Die Organisationen müssen dann vorsprechen und rechtfertigen, was sie tun“, sagt Weiland. Das verunsichere und binde Kräfte, die für die eigentliche Arbeit gebraucht würden. 

Klar Stellung beziehen

Bereits vor fünf Jahren schlugen ostdeutsche Organisationen, die Eine-Welt-Landesnetzwerke zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen sowie die Stiftung Nord-Süd-Brücken Alarm. In einem gemeinsamen Aufruf plädierten sie unter anderem dafür, die entwicklungspolitische Inlands- und Bildungsarbeit sollte sich deutlicher politisch positionieren und klar Stellung beziehen gegen Rassismus und Rechtspopulismus. 

Worauf dabei in der praktischen Arbeit zu achten ist, erklärt Christian Mädler vom Verein Freiberger Agenda 21. Persönlich finde er „klare Kante schon gut“. Er plädiere aber dafür, sich gleichzeitig inhaltlich mit dem politischen Gegenüber auseinanderzusetzen. Mädler arbeitet in der 40.000-Einwohner-Stadt zwischen Chemnitz und Dresden für das Programm Weltoffen Solidarisch Dialogisch, das auf kommunaler Ebene Perspektiven „friedlicher und inklusiver Gesellschaften“ im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele aufzeigen und stärken soll. „Wir sprechen im Grunde mit allen, weil wir die Gesellschaft offenhalten wollen“, sagt Mädler. 

Das gelingt allerdings nicht immer: So werde ein von seinem Verein mit organisierter Markt der Nachhaltigkeit auf der rechten Montagsdemo seit einiger Zeit als „vom Staat finanzierte Ideologieparty“ verunglimpft – von denselben Leuten, mit denen man davor noch im Gespräch war, um den Dialog nicht vollends abreißen zu lassen.

Wie erreicht Mädler die Freiberger mit seinen Themen? „Mit niedrigschwelliger Information, nicht von oben herab“, sagt er. Nach einer Reise mit dem Fahrrad nach Vietnam etwa habe er mit Fotos in öffentlichen Vorträgen davon berichtet. „Da kann ich dann auch was zu Themen wie Migration oder fairer Handel einflechten oder von der Gastfreundschaft in muslimischen Ländern erzählen – als Kontrast zu dem, was Pegida sagt.“ 

Lobbyarbeit beim BSW?

Zum Ergebnis der Landtagswahlen in Sachsen sagt Mädler, eine Regierung ohne die Grünen wäre ein Verlust. „Die haben einiges angeschoben, etwa Personalstellen für den Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung im ländlichen Raum.“ Die könnten jetzt wieder abgewickelt werden, fürchtet Mädler und plädiert dafür, vor allem beim BSW Lobbyarbeit zu machen: „Die haben bei einigen Themen noch keine festen Positionen und Entwicklungspolitik gehört vermutlich dazu.“ 

Für Franziska Weiland vom Eine-Welt-Netzwerk Thüringen ist ganz wichtig, dass sich die entwicklungspolitische Szene stärker über Social Media einbringt – also über dieselben Kanäle, über die sich vor allem junge Leute radikalisieren. „Wir haben es nicht geschafft, digitale Räume zu erschließen und unsere Ideen und Themen dort zu platzieren“, sagt sie. Stattdessen habe man „Stellvertreterdiskussionen“ darüber geführt, ob Handys und Social Media gut oder schlecht sind. „Sie sind einfach da, und das dürfen wir nicht ignorieren.“

Victoria Mazuze vom Dresdner Verein für afrikanisch-europäische Verständigung Afropa bestätigt das. Mazuze macht Anti-Rassismus-Workshops in Schulen in der sächsischen Landeshauptstadt; die Schülerinnen und Schüler, mit denen sie arbeitet, sind zwischen 10 und 15 Jahren alt. „Da läuft sehr viel übers Handy“, sagt Mazuze, „und wenn dann mal wieder eine Nachricht über ein Verbrechen kursiert, in das Migranten verwickelt sein sollen, versuche ich sie zu sensibilisieren: Woher kommt die Meldung? Welche Relevanz hat sie?“

Wenn sie auf rassistische Einstellungen stoße, lasse sie sich von den Schülerinnen und Schülern erklären, woher sie die haben, sagt Mazuze. „Ich nehme sie ernst, so erreiche ich sie. Sie von oben herab belehren zu wollen, bringt überhaupt nichts.“

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