Zölle auf "grüne" Technik sind schlecht fürs Klima

Handelskrieg
Die EU-Kommission hat hohe Zölle auf den Import von Elektroautos aus China verhängt und folgt damit dem Kurs der USA. Das wird den Klimaschutz bremsen und teurer machen, kritisiert Bernd Ludermann.

Bernd Ludermann ist Chefredakteur von „welt-sichten“.

Die Europäische Kommission will auf E-Autos aus China je nach Marke Einfuhrzölle bis 48,1 Prozent erheben. Sie begründet das damit, dass Peking seine Autohersteller subventioniere, zum Beispiel mit billigen Krediten, und so unfair den Wettbewerb verzerre. 

Das ist teilweise berechtigt. Peking will bei der Produktion von E-Autos und auch bei Anlagen für erneuerbare Energie und bei Digitaltechnik führend werden und subventioniert diese Branchen gezielt. Dass es mit seiner Technik dann auf die Weltmärkte drängt, liegt an heimischen Strukturproblemen: Lokale Behörden wetteifern um den Aufbau solcher Betriebe und der Binnenkonsum schwächelt wegen niedriger Löhne und schlechter Sozialsicherung. Als Folge sucht Chinas Wirtschaft das Heil im Export. Die deutsche macht das allerdings auch. Und manche Wettbewerbsnachteile für Europas Autobauer haben mit China wenig zu tun – so der zu späte Abschied vom Verbrenner sowie hohe Löhne und Energiepreise in Europa. Zudem setzen gerade deutsche Firmen auf große und teure Karossen statt auf preisgünstige, aber weniger profitable E-Autos.

Und zu Recht vermutet China hinter dem Beschluss der EU auch geopolitische Motive. Er folgt nicht zufällig auf den Beschluss der USA von Mitte Mai, die Zölle auf chinesische Einfuhren drastisch zu erhöhen; am meisten, 100 Prozent Zoll, wird auf E-Autos fällig. Das ist zunächst ein Wahlkampfsignal von Präsident Joe Biden an die heimischen Arbeiter der Autoindustrie, denn bisher importieren die USA kaum E-Autos aus China. Aber Biden versperrt damit China auf Dauer den Zugang zum US-Automarkt, so dass chinesische Hersteller noch mehr nach Europa drängen. Zudem begünstigen die USA damit die eigenen Digitalkonzerne: E-Autos sind rollende Computer und offen ist, ob sich chinesische oder amerikanische Standards für ihre Software durchsetzen.

Die USA wollen vorne bleiben

Doch die USA wollen auch höhere Zölle auf andere Produkte aus China wie Stahl, Aluminium, Solarpaneele und Lithium-Akkus. Das zeigt: Washington will bei Zukunftstechnik nicht von Lieferungen aus China abhängig sein. Es will die Führerschaft behaupten oder zurückgewinnen – auch um militärisch überlegen zu bleiben und Chinas Aufstieg zu bremsen. Zudem geben die USA der Produktion im eigenen Land, die sie mit riesigen Subventionsprogrammen aufbauen wollen, offen Vorrang vor dem Welthandel.

Die EU folgt sehr zögerlich. Sie kann sich keinen Konflikt mit den USA leisten, aber ihre Autoindustrie ist anders als die amerikanische eng mit der chinesischen verflochten – deutsche Firmen zum Beispiel produzieren und verkaufen in China, chinesische zunehmend in EU-Ländern. Daher will Brüssel nach den Regeln der Welthandelsorganisation vorgehen, über die sich die USA hinwegsetzen, und mit Peking noch über neue Zölle verhandeln. 

Auch in Brüssel aber laufen bereits Untersuchungen wegen unfairer Subventionen gegen chinesische Hersteller von Solarpaneelen und Windrädern; auch hier geht es um weniger Abhängigkeit von China, die als bedrohlich gilt. Doch Autos und Solarpaneele sind dafür das falsche Ziel. Brüssel und Washington machen damit die Technik für die Energie-Transformation zum Mittel der geostrategischen Konkurrenz.

China verlagert die Produktion

Das ist ein verhängnisvoller Irrweg. Es wird nicht gelingen, sich von China in großem Stil zu entkoppeln. Zum Beispiel verlagern chinesische Firmen inzwischen ihre Produktion, etwa von Autos, nach Europa oder in südostasiatische oder lateinamerikanische Länder, von wo sie ohne hohen Zoll exportieren können. Wenn aber eine Entkopplung für manche Produkte den Weltmarkt in „amerikanische“ und „chinesische“ Zonen spaltet, wird das vielen Entwicklungsländern schaden, denn dann wäre ihr Handel entweder mit dem einen oder dem anderen Wirtschaftsblock stark erschwert. 

Vor allem aber bremsen Zölle auf „grüne“ Technik den Klimaschutz. Sie machen bei uns E-Autos aus China teurer, ermöglichen europäischen und US-amerikanischen Herstellern auf Dauer höhere Preise und verlangsamen den Umstieg – auch weil es Widerstand provoziert, wenn Elektromobilität weiter als Privileg reicher SUV-Besitzer erscheint. Solarpaneele können ohne Chinas Industrie gar nicht so schnell produziert werden, wie es für die Klimaziele nötig ist – schon gar nicht zu Preisen, die auch im Süden erschwinglich sind. Und ein Handelskrieg zwischen China und Europa wird unweigerlich auch die weltweiten Klimaverhandlungen stark belasten.

Die USA wird man von ihrem scharfen Kurs gegen Peking kaum abbringen können. Aber die EU sollte, statt Hürden für preiswerte Importe zu schaffen, besser in anderen Schwellen- und Entwicklungsländern grüne Industrien aufbauen helfen. Das verringert ebenfalls die Abhängigkeit von China, bietet Ländern im Süden neue Perspektiven und ist sogar in Absprache mit Peking denkbar. Der weltweite Übergang zu klimafreundlichem Wirtschaften kann nur gelingen, wenn man ihn als kooperatives Projekt versteht, das allen Ländern nutzt. 

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