Das ist kein Ausrutscher. Auch die über tausend Milliarden Dollar, die Ende 2021 für die Modernisierung der Infrastruktur in den USA vorgesehen wurden, sind mit Vorschriften verbunden, einen Mindestanteil der Vorprodukte wie Stahl in den USA zu beziehen. Nur wenn heimische Produzenten bevorzugt werden, ist Klimaschutz in den USA politisch durchsetzbar.
Die EU geht einen anderen Weg zum Schutz ihrer Industrie: Sie will einen Grenzausgleich für „schmutzige“ Importe, was – bei allen damit verbundenen Problemen – keine Diskriminierung von „grünen“ Importen aus dem Ausland brächte. Und das Vorgehen der USA gilt als schädlich für Europas Wirtschaft. Paris und Berlin fürchten besonders, dass ihre Autoproduzenten keine Chance auf dem US-Markt haben, wenn ausschließlich dort hergestellte Elektrofahrzeuge mit Subventionen verbilligt werden. Darüber hinaus ist die EU-Kommission besorgt, dass Subventionen plus niedrigen Energiepreisen Firmen und Investoren aus Europa nach Amerika ziehen.
Ein Subventionswettlauf ist absehbar
Brüssel, Paris und Berlin drängen nun einerseits Washington, die Regeln zugunsten europäischer Firmen zu ändern – mit sehr begrenztem Erfolg. Andererseits werden in Europa Forderungen laut, nun ebenfalls die heimische Industrie stärker zu subventionieren und auf „Buy European“ hinzuwirken – auch in Deutschland, das bisher den Freihandel hochgehalten hat.
Zu erwarten ist eine Verständigung auf Kosten von Schwellenländern wie Brasilien, Südafrika oder Indonesien. Denn die USA und Europa sind beide interessiert, ihren Streit zu begrenzen, um gegen Russland und China zusammenzustehen; nicht zuletzt gegen China richtet sich die neue Industrieförderung der USA. Am Ende dürften beide ihre Auto- und Halbleiterindustrie sowie die Hersteller von grüner Energietechnik stärker subventionieren und das gegenseitig dulden.
Es drohen unfaire Regeln ähnlich denen im Agrarmarkt
Ärmere Länder können sich das nicht leisten. Dass sie ihre eigene, teils erst entstehende Produktion stattdessen mit Zöllen schützen, verhindern aber die Regeln der Welthandelsorganisation WTO. Damit drohen für wichtige Sektoren der Industrie in der Praxis die gleichen unfairen Regeln wie für den globalen Agrarmarkt: Schutzmaßnahmen für heimische Produzenten, die auch arme Länder anwenden können, sind verboten – aber Subventionen, die nur reiche Länder aufbringen können, sind erlaubt.
Wenn das passiert, wird Herstellern von Elektroautos, Computerchips, Batterien oder Solaranlagen im globalen Süden der Zugang zum Markt in den USA und in Europa stark erschwert. Betroffen ist keineswegs nur China. Zum Beispiel exportieren Brasilien und Südafrika Fahrzeuge, Bolivien und Chile möchten eine Batterieproduktion aufbauen.
Zudem werden dann Schwellenländer nicht nur wirtschaftlich benachteiligt – ihnen wird auch Klimaschutz weiter erschwert. Denn für sie ist die Möglichkeit, „grüne“ Produkte zu exportieren, ein wichtiger Anreiz, auf solche Produkte umzustellen oder bei der Industrialisierung gleich darauf zu setzen. Auch der Transfer von „grüner“ Technologie wird dann gebremst.
Politik und Öffentlichkeit in Europa ignorieren diese Folgen des transatlantischen Handelsstreits weitgehend. Das muss aufhören. Es ist höchste Zeit, die Welthandelsregeln so anzupassen, dass sie Umwelt- und Klimaschutz fördern statt behindern und zugleich Entwicklungsländern mehr Spielraum für eigene Wege der Wirtschaftsförderung geben. Dafür sollte Europa sich einsetzen und in der Zwischenzeit sauberen Industrien im Süden bevorzugten Marktzugang zusichern. Das und nicht die eigene Autoindustrie sollte in Berlin, Paris und Brüssel Vorrang haben.
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