David Brenner geht es in seinem Beitrag zur Zeitschrift von Chatham House nicht in erster Linie um Myanmar, sondern um Lücken und Fehlannahmen in der Friedens- und Konfliktforschung. Bei deren Versuchen, Ursachen und Lösungswege für Gewaltkonflikte zu finden und sie theoretisch zu fassen, werde das Beispiel Myanmar[ET(2] , wo einer der am längsten andauernden Bürgerkriege der Welt geführt wird, kaum beachtet. Und das liegt laut Brenner nicht einfach an geringem politischem Interesse – anders als etwa der Tschad und Tadschikistan werde Myanmar in der westlichen Öffentlichkeit durchaus wahrgenommen. Nur eben durch eine falsche Brille: in erster Linie als Kampf um Demokratie, also um die Regierungsform.
Das ist laut Brenner nicht ganz falsch, verfehlt aber den entscheidenden Punkt: Umstritten ist die Natur des Staates selbst; zahlreiche nationale Minderheiten kämpfen in erster Linie um Autonomie von einem von der Ethnie der Bamar dominierten Staat. Brenner sieht die Wurzeln dieses Konflikts in der Kolonialzeit, die postkoloniale Staatsbildung sei im Grunde noch im Gang. Das erkläre, dass über Jahrzehnte die Militärs den Staat der Bamar zusammenhalten wollten, dass sie ab 2011 – als die ethnischen Rebellionen unter Kontrolle schienen – eine begrenzte Demokratisierung unter Aung San Ssu Ki zuließen und dass unter dieser „demokratischen“ Regierung die Gewalt gegen ethnische Minderheiten wieder eskalierte. Und es bedeute, dass man es jetzt keineswegs mit einer geeinten demokratischen Opposition in Myanmar zu tun hat, auch wenn erstmals die Gegner des Militärs unter den Bamar mit ethnischen Minderheiten zusammengehen.
Dieser Befund passe aber nicht in die dominierende Betrachtungsweise vom Streit zwischen Demokratie und Autokratie und werde daher in der Friedensforschung kaum beachtet. Deren Paradigma ist laut Brenner eurozentrisch und führt zu Fehldeutungen – nicht nur in Bezug auf Myanmar, auch etwa auf Süd-Thailand oder Nordost-Indien[ET(3] . Und es führe zu falschen Rezepten für Friedensstiftung. Sein Text ist geht methodisch-theoretisch vor, aber die Einwände sind bedenkenswert und politisch relevant.
Neuen Kommentar hinzufügen