Mehr als zwei Jahre nach Beginn von Russlands Invasion hat sich die Zahl der deutschen Kommunen, die Städte in der Ukraine bei der Bewältigung der Kriegsfolgen unterstützen, fast verdreifacht. Sie helfen beim Abfallmanagement, bei der Energie- und Wasserversorgung, liefern medizinische Güter und unterstützen ukrainische Städte bei der Aufnahme von Binnenvertriebenen. Im Februar 2022 gab es 70 Städtepartnerschaften mit der Ukraine, die zum Teil noch in die 1960er Jahre zurückreichen, vor allem bei ostdeutschen Kommunen wie Leipzig. Seitdem sind 130 sogenannte Solidaritätspartnerschaften dazugekommen.
Weitere 60 Anfragen auf Vermittlung von kommunalen Partnern in der Ukraine liegen der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) vor, die das deutsch-ukrainische Städtenetzwerk im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) betreut. Von der kleinen Gemeinde mit nur wenigen tausend Einwohnern bis zu Millionenstädten wie Berlin, Hamburg oder München tragen sie dazu bei, dass in den unter dem Krieg leidenden Städten der Ukraine die Infrastruktur halbwegs aufrecht erhalten werden kann, zum Teil in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Städten.
Die Kooperation von Bielefeld mit Tscherkassy, einer Stadt mit rund 280.000 Einwohnern in der Zentralukraine, steht beispielhaft für viele andere. Bielefeld leistet technische Unterstützung, indem es Generatoren für die Wasserversorgung liefert und Tscherkassy bei der Aufnahme von etwa 60.000 Flüchtlingen aus der Ostukraine unterstützt. Dazu wurden Hilfskonvois organisiert, die Feldbetten, Desinfektionsmittel, Bettwäsche und Kochplatten in die ukrainische Partnerstadt transportiert haben.
Aber wie relevant ist diese Städtekooperation angesichts der Gelder, die die Ukraine aus Deutschland als bilaterale Hilfe bekommt, von Waffenlieferungen einmal abgesehen. „Jegliches zusätzliche kommunale Engagement kann nur ein Tropfen auf den heißen Stein und symbolischer Natur sein“, sagt Georg Ohlmann vom Referat für Internationale Verbindungen der Stadt Erfurt. Zudem sei in vielen deutschen Kommunen die Haushaltslage angespannt.
„Die lokale Ebene kann sehr direkte Hilfe leisten und das liefern, was gerade dringend gebraucht wird“, sagt dagegen Olaf Selonke aus Bielefeld. Was Tscherkassy Ende Februar als dringend benötigt gemeldet habe, könne man wohl schon Ende April liefern. Vorher müssten Spenden eingeworben und zum Beispiel Medikamente beschafft werden. Selonke sieht die Solidaritätspartnerschaften zwischen Kommunen daher als eine „sinnvolle Ergänzung“ zur Zusammenarbeit auf staatlicher Ebene.
Doch es geht nicht nur um materielle Hilfe. „Für die Partner in der Ukraine ist es sehr wichtig, dass sie nicht vergessen werden“, sagt Peter Münster, erster Bürgermeister der Gemeinde Eichenau im Landkreis Fürstenfeldbruck bei München. „Die Zusammenarbeit zeigt unsere Verbundenheit mit den Ukrainerinnen und Ukrainern und stärkt ihren Willen, die schwierige Situation zu ertragen.“ Das gebe ihnen auch eine Perspektive für die Zeit nach dem Krieg.
Eichenau hat schon seit 1992 eine Partnerschaft mit Wischgorod, das 20 Kilometer nördlich von Kiew liegt. Vor 2022 war man zum Beispiel im Jugendaustausch tätig. Seit Kriegsbeginn geht es nur noch darum, die Stadt bei der Versorgung ihrer Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen. Rund zehn Hilfstransporte mit Generatoren, Lebensmitteln und medizinischen Gütern konnte Eichenau dank der Unterstützung vieler Freiwilliger im Ort organisieren. Am schwierigsten sei eine Lieferung mit Insulin für Diabetiker gewesen. Dieses Engagement sei etwas, „worauf wir stolz sind“, so Bürgermeister Münster.
Olena Ovcharenko von der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt kann bestätigen, wie wertvoll die persönlichen Kontakte und Verbindungen in die Ukraine sind. „Wir lassen euch nicht allein“, diese Botschaft sei umso wichtiger, je länger sich der Krieg hinziehe – auch wenn der Austausch momentan hauptsächlich über Online-Foren stattfinde. Gerade die kleinen Kommunen in Deutschland seien oft sehr eng mit ihren Partnern in der Ukraine verbunden, fast schon familiär, sagt sie. Seit Kriegsbeginn hat die Servicestelle im Rahmen des seit 2015 bestehenden Projekts „Kommunale Partnerschaften mit der Ukraine“ 128 Projekte zwischen deutschen und ukrainischen Städten mit insgesamt 5,2 Millionen Euro gefördert.
Zusätzlich haben auch Bundesländer Kooperationen mit Regionen in der Ukraine begonnen. Nordrhein-Westfalen erklärte im Dezember 2022 seine Zusammenarbeit mit der Region Dnipropetrowsk und lieferte als Starthilfe 370 Stromgeneratoren. Bremen, das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern haben ebenfalls eigene Verbindungen zu Regionen in der Ukraine geschlossen. So ist ein ganzes Netzwerk von lokalen und regionalen Verbindungen entstanden, das helfen kann, die Ukraine durch die schwere Zeit zu tragen. Bis der Krieg einmal ein Ende hat.
Neuen Kommentar hinzufügen