Halbzeit für die Agenda 2030: Zu den SDGs gehört etwa die Abschaffung der Armut (Ziel 1) und des Hungers (Ziel 2). In seinem Bericht zur Halbzeit zieht UN-Generalsekretär António Guterres die ernüchternde Bilanz, dass wohl viele der Ziele bis 2030 verfehlt werden. Globale Krisen – vom Ukraine-Krieg über die Corona-Pandemie bis zum Klimawandel – haben Fortschritte zunichte gemacht.
Unterschrieben haben zwar Staaten, doch ein Großteil der Ziele ist auch für die lokale Ebene relevant, nicht nur Ziel 11, das nachhaltige Städte und Gemeinden bis 2030 fordert. Auch zu den meisten anderen Nachhaltigkeitszielen können Kommunen beitragen, etwa in Partnerschaften mit Städten im globalen Süden. Die SDGs bilden einen Kompass für das kommunale Handeln in diesem Jahrzehnt.
Was deutsche Kommunen zur Halbzeit erreicht haben, lässt sich nur schwer bewerten. Es gibt nicht genügend belastbare Daten, um den Stand ihrer Bemühungen um Nachhaltigkeit und um Fortschritte seriös zu messen.
Eine Untersuchung der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt vom Mai 2023 kommt zu dem Ergebnis, dass das sogenannte Monitoring in vielen Kommunen noch in den Kinderschuhen steckt. Zudem gebe es unterschiedliche Definitionen des Begriffs Monitoring und die Vorgehensweisen seien nicht vergleichbar. Hier gebe es „noch große Unsicherheiten und Unterschiede“, heißt es in der Studie. Die Servicestelle unterstützt Kommunen dabei, die Nachhaltigkeitsziele in ihrer Politik zu verankern.
2018 haben New York und drei japanische Städte die Initiative Voluntary Local Reviews ins Leben gerufen, eine freiwillige Plattform, auf der Städte präsentieren können, was sie in Sachen Nachhaltigkeit leisten. In Deutschland haben einige Städte aus Nordrhein-Westfalen nach diesem Modell Berichte erstellt. Daraus lässt sich zum Beispiel entnehmen, dass die Stadt Bonn ihre Ausgaben für globale Aufgaben wie Städtepartnerschaften mit dem globalen Süden seit 2015 von 315 Millionen Euro zum Jahr 2018 auf 605 Millionen Euro fast verdoppelt hat, dass sie in verschiedenen internationalen Netzwerken wie zum Beispiel einer Initiative von Städten für ein Lieferkettengesetz aktiv ist, das Bonner Netzwerk für Entwicklung, Gerechtigkeit und Zukunft für Eine Welt Akteure in der Stadt gegründet hat und 2020 erneut als Fair Trade Town zertifiziert wurde. Städte wie Helsinki, Barcelona und La Paz haben ebenfalls Berichte nach den Voluntary Local Reviews erstellt. Da hier die Städte ihre Aktivitäten selbst bewerten, sieht das Ganze aber eher nach einem Beitrag zum Standortmarketing aus.
Eine Hürde auf dem Weg zur Nachhaltigkeit liegt darin, dass die zu bewältigenden Aufgaben sich nicht an ein Ressort delegieren lassen, sondern alle Teile der Verwaltung betreffen. Bauämter haben auch mit sozialen Fragen zu tun und Sozialämter auch mit ökologischen Problemen. Kommunen, die das Thema ernsthaft angehen wollen, bemühen sich daher, das klassische Ressortdenken zu überwinden. Das bedeutet allerdings Aufwand und kostet Zeit sowie Ressourcen.
„Wir verstehen Nachhaltigkeit als langfristiges Querschnittsthema“, sagt Anna Hahn von der Stadt Speyer in Rheinland-Pfalz. Eine die Fachbereiche übergreifende Koordinationsgruppe wurde etabliert, in der sich auch kommunale Unternehmen wie die städtische Wohnungsbaugesellschaft, die Stadtwerke und die Entsorgungsbetriebe einbringen. Auch die Bürgergesellschaft ist eingebunden. Seit 2020 wurden Ideen für den SDG-Aktionsplan an einem runden Tisch „Nachhaltiges Speyer“ diskutiert, am 27. September wird der Plan der Öffentlichkeit präsentiert.
Man bemühe sich, zu vielen der 17 SDGs beizutragen, sagt Hahn, nicht nur zu Klimaschutz- und Klimaanpassung. So informiere die Stadt in Bildungsangeboten der Volkshochschule über nachhaltigen Konsum (SDG 12). SDG 8 („menschenwürdige Arbeit“) unterstütze man durch den Einkauf von fair gehandelten Produkten und SDG 5 („Geschlechtergerechtigkeit“) unter anderem durch einen Leitfaden „Faire Verwaltungssprache“. Mit der naturnahen Umgestaltung von Flächen will man einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt (SDG 15) leisten und in einer Partnerschaft mit einer Stadt in Ruanda auch globales Engagement zeigen.
Nach einem großen Wurf klingt das alles nicht, aber jeder Schritt auf dem Weg zur sozialen und ökologischen Transformation muss innerhalb der Stadtgesellschaft durchgesetzt werden. Wer jemals erlebt hat, zu welchen Konflikten allein die Reduzierung von Parkplätzen zugunsten von Fahrradwegen führt, der weiß, wie mühsam die Prozesse zum nachhaltigen Umbau einer Stadt sind.
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