Rolando Álvarez, der Bischof von Matagalpa, dürfte zu den prominentesten politischen Gefangenen weltweit gehören. Nachdem er im August 2022 festgenommen und im Februar 2023 wegen seiner anhaltenden Kritik an der repressiven Politik Daniel Ortegas und dessen Frau Rosario Murillo, der Vizepräsidentin des Landes, zu 26 Jahren Haft verurteilt worden war, hatten sich Politiker, Menschenrechtsorganisationen und der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte für seine Freilassung eingesetzt. Als er am 14. Januar tatsächlich freigelassen wurde, kam das für viele trotzdem unerwartet. Mit ihm wurden ein weiterer Bischof, 15 Priester und zwei Seminaristen freigelassen – und mit der nächsten Maschine nach Rom in den Vatikan abgeschoben.
Über die Umstände der Freilassung ist nicht viel bekannt. Der Vatikan, der sicherlich nicht unbeteiligt war, hält sich mit öffentlichen Verlautbarungen in solchen Fragen grundsätzlich zurück. Doch auch diejenigen, die mit Bischof Álvarez vor seiner Inhaftierung in Kontakt standen, konnten bisher nicht mit ihm sprechen. „Vermutlich war es für das Regime besser, Álvarez abzuschieben, bevor er zur Ikone des Widerstands wird“, sagt Dominik Pieper vom katholischen Hilfswerk Misereor. Immer wieder hatten sich Bischöfe und Priester in Nicaragua mit ihm solidarisiert; einige waren dafür selbst ins Gefängnis gekommen.
Umdenken in Sachen Exil
Doch auch bei Bischof Álvarez muss ein Umdenken stattgefunden haben. Denn vor einem Jahr hatte er die Aufforderung, ins Exil zu gehen, noch abgelehnt und dafür lieber eine langjährige Haftstrafe in seinem Heimatland in Kauf genommen. Mit einer Ausweisung ist nämlich in der Regel die Aberkennung der nicaraguanischen Staatsangehörigkeit verbunden, so wie im Februar 2023 bei 222 politischen Gefangenen, die in die USA ausgewiesen wurden. Dass man Álvarez unter Druck gesetzt habe, könne er sich durchaus vorstellen, sagt Pieper. „Mit ihm waren ja noch andere Priester und Seminaristen im Gefängnis, für die sich Álvarez sicherlich verantwortlich gefühlt hat.“
Doch was am Ende auch den Ausschlag für die Freilassung mit anschließender Abschiebung gegeben haben könnte: Die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und der Regierung von Daniel Ortega sind deswegen nicht besser geworden. Bereits zwei Tage nach der Freilassung von Álvarez wurden ein weiterer Priester verhaftet und zehn katholische und evangelische Organisationen geschlossen. Die Regierung beschuldigt sie, sie hätten die Proteste gegen die Regierung im April 2018 mit Geld aus dem Ausland unterstützt, und konfiszierte ihr Vermögen.
Damals war es zu Massenprotesten gegen Ortega und Murillo gekommen, die von den Sicherheitskräften mit Gewalt niedergeschlagen wurden. Mehr als 300 Menschen starben. Viele Kirchen wurden zu Rückzugsorten der Demonstranten. Anfangs hatte sich die katholische Kirche noch als Vermittlerin im nationalen Dialog angeboten, zog sich aber zurück, als die Repression nicht nachließ.
Druck auf Priester nimmt zu
Seither sind zahlreiche Priester und Bischöfe entweder freiwillig oder unter Druck ins Exil gegangen, wurden inhaftiert, Opfer von gewaltsamen Übergriffen oder stehen unter permanenter Beobachtung. Kirchliche Einrichtungen wie die katholische Universität in Managua wurden geschlossen. Auch säkulare Universitäten und nichtstaatliche Organisationen wurden geschlossen oder auf Kurs gebracht.
Zwar sind die Kirchen in Nicaragua noch offen; Gottesdienste und Messen finden nach wie vor statt. „Der Handlungsspielraum der Kirche wird aber immer mehr eingeschränkt“, sagt Nicaraguakenner Pieper. Viele Partnerorganisationen von Misereor seien geschlossen oder ihre Konten gesperrt worden. „Seit Anfang 2022 können wir kaum noch Fördergelder nach Nicaragua überweisen. Die Partner müssen sich mit Spenden aus dem eigenen Land über Wasser halten.“ Dass sich die Verhältnisse in näherer Zukunft ändern, bezweifelt Pieper. „Nur Druck von außen auf das Regime könnte eventuell noch etwas bewirken.“ Doch derzeit spiele Nicaragua außenpolitisch nur eine untergeordnete Rolle.
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