Die G7-Staaten wollen sich daran beteiligen, den verwundbarsten Ländern im Katastrophenfall rasch umfassende Hilfe zukommen zu lassen. Neben staatlichem Beistand zum Wiederaufbau von Infrastruktur nach Umweltkatastrophen solle der Schirm 400 Millionen Menschen einen Versicherungsschutz gewähren, erläuterte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Entwicklungsministerium (BMZ). Vorgestellt wurde die G7-Einigung beim Petersberger Klimadialog im Juli in Berlin, zu dem Deutschland und Ägypten Vertreter aus rund 40 Staaten geladen hatten.
Deutschland plant Zusagen in zweistelliger Millionenhöhe
Auf die Frage, wer den Schutz bezahlen soll, verwies das BMZ auf eigene Mittel sowie auf „verschiedene Industriestaaten“, die ebenfalls Interesse geäußert hätten. Deutschland plane für dieses Jahr „Zusagen in hoher zweistelliger Millionenhöhe“.
Das Engagement der G7 „sendet ein wichtiges Signal an arme und verwundbare Länder und Menschen: Sie werden mit den Folgen des Klimawandels nicht allein gelassen“, sagte ein Sprecher.
Mitwirken werden auch multilaterale und regionale Entwicklungsbanken und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP). In der Praxis sollen öffentliche und private Versicherungen, staatliche soziale Sicherungssysteme und der Aufbau von Katastrophenreserven im Staatshaushalt mit einer breiten Palette von Instrumenten der Geberländer und von Banken finanziert werden. Die Banken und (Rück-)Versicherer seien dann für die Auszahlung im Katastrophenfall zuständig.
Dass Deutschland sich vorwagt, ist überfällig, sagen NGOs
Hilfsorganisationen begrüßen die Initiative, machen aber zugleich auf die Risiken für die leidtragenden Staaten aufmerksam. Dass Deutschland als Industrieland das Thema Schäden und Verluste in der Klimadebatte auf die G7-Tagesordnung bringe, sei erfreulich, aber auch überfällig, kommentiert Johannes Grün, Referatsleiter Wirtschaft und Nachhaltigkeit bei Brot für die Welt. „Wenn betroffene Länder nun systematischer als bisher ein umfassendes Klimarisikomanagement aufbauen, trägt das dazu bei, bestehende Schutzlücken zu identifizieren“, sagt er.
Zu bedenken sei jedoch, dass verschuldete Länder sich teure Versicherungen oder andere Vorsorge gar nicht leisten können, sagt Grün. Sie bekämen Kredite am Kapitalmarkt nur zu schlechten Konditionen. „Man wird Extrageld in die Hand nehmen müssen. Für die ärmsten und verletzlichsten Staaten braucht es eine finanzielle Ausstattung, die nicht auf Basis von Darlehen sein kann.“
Tatsächlich erwartet das BMZ, dass der Schutzschirm einen „zusätzlichen erheblichen Mitteleinsatz“ der Geber mobilisieren werde. Deutschland selbst habe über die Jahre über 800 Millionen Euro für vergleichbare Instrumente größtenteils als Zuschüsse eingesetzt. Auch für den neuen Schutzschirm sei vorgesehen, dass die Geber Versicherungsprämien anteilig durch Zuschüsse oder konzessionäre Kredite bezahlen. Zudem sollten aus Beiträgen der Geber „eine zentrale Finanzierungsstruktur“ aus der globalen Weltbank-Risikofinanzierungsfazilität (GRiF) und zwei neuen Fonds gespeist werden, heißt es aus dem Ministerium.
„Finanzielle Entlastung der Partnerländer“
Das Entwicklungsministerium erwartet unterm Strich eine „erhebliche finanzielle Entlastung der Partnerländer“, weil vorausschauende Risikofinanzierung wirtschaftlicher sei als die Bewältigung von Schäden. Wenn schnell Nothilfe zum Wiederaufbau kritischer Infrastruktur verfügbar sei, könnten viele Folgekosten vermieden werden.
Als ein Beispiel für Instrumente des Schutzschirms nennt das BMZ Viehzuchtversicherungen in Pakistan, wo ein mit Mitteln der KfW Entwicklungsbank gespeister Fonds der Mikrofinanzorganisation Kashf Darlehen über 11,5 Millionen Euro für geschädigte Viehhirten zur Verfügung gestellt hat. In Peru wurde eine Flut- und Erdbebenversicherung für Schulen in einer öffentlich-privaten Partnerschaft zur Hälfte mit deutschen Zuschüssen ermöglicht.
In Afrika habe eine humanitäre Krise nach Dürren und einem Wirbelsturm in Madagaskar, Sambia und Malawi verhindert werden können – dank der von Gebern über die Afrikanische Entwicklungsbank kofinanzierte Versicherung African Risk Capacity (ARC) der Afrikanischen Union. Die Versicherungsprämie koste ein Land für jeweils eine Erntesaison in der Regel einen niedrigen siebenstelligen US-Dollar-Betrag und variiere von Jahr zu Jahr.
Kaum Erfahrung mit Katastrophenfinanzierung
Im Länderdurchschnitt gibt die African Risk Capacity für 2021 ein Verhältnis von Prämien zu bereitgestellter Versicherungssumme von 1 zu 5,5 an. Die ARC zählt 35 Mitgliedstaaten, darunter Kenia, dessen Norden gerade unter einer schweren Dürre und Hunger leidet. Kenia war laut BMZ in den Jahren 2014/15 und 2015/16 gegen Dürren versichert, hat seitdem den Versicherungsschutz aber nicht erneuert. Häufig fehle das Geld und mangele es an Erfahrung mit Risiko- und Katastrophenfinanzierung sowie an Kenntnissen über und Vertrauen in die verfügbaren Absicherungsinstrumente, erläutert das Ministerium. All dem solle der Schutzschirm begegnen.
Auf der COP27 in Ägypten sollen der Schutzschirm und erste Pilotländer vorgestellt werden. Dort müsse es dann zum Schwur kommen, ob die Initiative zur Schließung von Schutzlücken ernst gemeint sei, sagt Johannes Grün von Brot für die Welt. Offen bleibe, wie mit langfristig sich aufbauenden Schäden umzugehen ist, wie etwa mit mehrjährigen Dürren in Ostafrika oder dem Meeresspiegelanstieg, der kleine Inselstaaten in ihrer Existenz bedroht. „Für solche Schäden reichen Versicherungen gegen punktuelle Extremwetterereignisse nicht aus.“
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