Doch die Konfliktlinien im Ringen um eine nachhaltige Welternährung sind die gleichen wie vor dem Ukraine-Krieg, auch wenn die kriegsbedingte Öl-, Weizen- und Düngemittelknappheit die Lage verschärft hat. Auch das UN-Welternährungsprogramm hat bislang die Hälfte seiner Weizenlieferungen aus der Ukraine bezogen, Länder wie Ägypten oder der Libanon fast ihren kompletten Weizenbedarf. Deshalb brauchen Regionen, in denen die Preise für wichtige Nahrungsmittel schier unbezahlbar geworden sind, mehr finanzielle Unterstützung.
Aber „finanziell“ ist das Stichwort. Denn wir haben, wie Weltbankpräsident David Malpass kürzlich erklärt hat, „keine Nahrungsmittel-, sondern eine Bezahlbarkeitskrise“. Getreide ist vorhanden, schließlich fahren auch andere Länder Ernten ein. Aber die Preise sind für arme Länder, die auf Importe angewiesen sind und auf dem Weltmarkt nicht mehr mitbieten können, unerschwinglich geworden – auch, weil die zunehmende Spekulation mit Nahrungsmitteln und Land kurzfristige Preissteigerungen anheizt.
Saatenvielfalt statt Monokulturen
Mittel- und langfristig aber lässt sich Ernährungssicherheit nach wie vor unter drei Bedingungen erreichen: Wenn Nahrungsmittel vorrangig zur menschlichen Ernährung angebaut werden, wenn Länder im globalen Süden unabhängiger von Importen werden und wenn alle Böden und Gewässer schonen, statt sie für kommende Generationen unbrauchbar zu machen. Im Januar 2022 hat der Welternährungsausschuss unter dem Dach der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) dazu wichtige Empfehlungen verabschiedet. Dazu gehört, eine widerstandsfähige Landwirtschaft im globalen Süden ebenso wie im globalen Norden zu fördern – also agrarökologischen Anbau, Saatenvielfalt statt Monokulturen, effiziente Technologien. Ziel müsse sein, dass größere Teile der Ernte der Bedrohung durch Klimawandel, Dürren oder Überschwemmungen standhalten und dass vor allem Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen unabhängiger von Lebensmittelimporten werden. Auch braucht es mehr Investitionen in den Auf- und Ausbau sozialer Sicherungssysteme, damit nicht mehr so viele Menschen nach Einkommensverlusten Hunger leiden.
Gleichzeitig ist nicht zu verantworten, dass ein Drittel der weltweit produzierten Nahrungsmittel in der (industriellen) Tierhaltung verfüttert oder als Biosprit verheizt wird. Im Durchschnitt werden für die Herstellung einer tierischen Kalorie sieben pflanzliche benötigt. Das Futtergetreide könnte nach Informationen von Brot für die Welt 3,5 Milliarden Menschen satt machen. Allein die von der US-Regierung großzügig geförderte Ethanol-Industrie aber verarbeitet jährlich über 470 Millionen Tonnen Getreide. Das entspricht nach Zahlen der FAO 35 Prozent des Weltgetreidehandels. Zum Vergleich: Die unter anderem von den USA und der Weltbank kritisierten Getreide-Exportbeschränkungen der indischen Regierung angesichts hitzebedingter Ernteeinbußen betrafen zwei Prozent des Weltgetreidehandels.
Zusammenarbeit mit dem Welternährungsausschuss
Auch die Futtermittelimporte der EU gehören auf den Prüfstand. Insbesondere der Soja-Anbau führt oft zur Vertreibung von Bauern und Indigenen sowie zu schweren Umweltzerstörungen. Die Agrarpolitik der Länder des Südens wiederum orientiert sich häufig noch an alten kolonialen Mustern und setzt auf wenige Exportprodukte wie Futtersoja, Baumwolle oder Kakao. Die bringen zwar Devisen ein, brauchen aber enorme Flächen, die für die Nahrungsmittelproduktion wegfallen.
Für das Bündnis für Globale Ernährungssicherheit, das die G7-Entwicklungsministerinnen und -minister Mitte Mai gestartet haben, gibt es also einiges zu tun. Es ist gut, dass sie das Problem angehen wollen. Aber statt ein neues Gremium der G7-Staaten wie die „Global Crisis Response Group on Food, Energy and Finance“ zu schaffen, wäre es sinnvoller, mit dem Welternährungsausschuss zusammenzuarbeiten, denn dort sind alle Staaten vertreten und darüber hinaus UN-Organisationen und Mitwirkende aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
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