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Baye Cheikh Matala Mbaye ist vor 14 Jahren nach Deutschland gekommen. Sowohl im Senegal als auch hier bringt er Europäern das Trommeln bei. Dank der Musik hat er in Europa die Chancen bekommen, auf die viele Afrikaner hoffen.
Wie sind Sie zum Trommeln gekommen?
Wann haben Sie die ersten Kurse gegeben?
Ich habe nichts dafür getan, es hat sich einfach ergeben. Schon mit vierzehn, fünfzehn Jahren kamen Europäer über den Kulturaustausch zu mir, und ich habe ihnen Trommeln beigebracht. Später leitete ich dann zwei Tanz- und Trommelgruppen. Seit 2004 kamen dann jedes Jahr ein Finne und eine Gruppe Franzosen zu mir. Diese Begegnungen mit Europäern haben die Trommelei zu meinem Beruf gemacht, von dem ich leben konnte. Denn die Europäer kauften meine Trommeln für 150 Euro, obwohl sie um die Ecke bei den Händlern 50 Euro gekostet haben. Ich habe eben gesagt: Ich verdiene damit mein Geld – und das wollten sie unterstützen.
Wie sind Sie dann nach Deutschland gekommen?
Bei einem dieser Workshops lernte ich meine spätere Ehefrau kennen. Sie hat mich überzeugt und gesagt, hier in Deutschland kannst du mehr werden als in Afrika. Das Trommeln hier in Europa ist für mich ein Traum, der wahr geworden ist. Und jeder Junge in Afrika träumt davon, nach Europa zu gehen. Ich hatte die Chance und habe sie ergriffen. Als ich hier war, bin ich persönlich zum Leiter der Volkshochschule in Oberursel gegangen und habe gesagt, dass ich Trommeln unterrichten möchte. Er hat mich gleich unterstützt. Obwohl dann nur drei Leute (inklusive meiner Frau) zum ersten Kurs kamen, hat er ihn weiterlaufen lassen, denn er hat an mich geglaubt. Heute gebe ich mehrere Kurse pro Woche, die alle gut besucht sind.
Sie leiten auch eine Trommelgruppe und treten mit ihr auf …
Ja, die Trommelgruppe „Impuls“ habe ich sozusagen geerbt, als deren Gründer gestorben ist. Das war eine Hobby-Trommlergruppe der VHS, die ich inzwischen als einziger Profi-Trommler zusammen mit einem anderen Mitglied leite. Wir machen Konzertabende, haben hier in Oberursel zusammen mit dem Verein Kunstgriff ein Afrika-Festival aufgebaut, viele Veranstaltungen organisiert. Wir haben zum Beispiel vor Corona auch regelmäßig im Alfred-Delp-Haus gespielt, einem Wohnheim für Behinderte. Dort hatten wir zusammen mit einigen Bewohnern eine Trommelgruppe.
Ist die Musik, die Sie hier machen, anders als im Senegal?
Nein, im Prinzip wird die Musik, die ich den Europäern beibringe, auch so im Senegal gespielt. Aber es ist eine gewisse Anpassung von mir drin, weil ich hier lebe, das fließt in meine eigenen Kompositionen. Trotzdem kann ich mit dieser Musik meine Kultur und Heimat zeigen. Ich singe auch in den westafrikanischen Sprachen Susu, Mandingka, Wollof und manchmal in Peul. Die Gruppe „Impuls“ hat 63 traditionelle Rhythmen gelernt, die seit Jahrhunderten im Senegal gespielt werden.
Welche Bedeutung hat das Trommeln im Senegal?
In Afrika trommeln wir, um zu zeigen, dass wir gesund sind, dass wir Kraft haben, intelligent sind und Taktgefühl haben. Die Trommel hat eine Macht über Menschen, sie bringt gute Laune, bringt Leute zum Träumen. Die Schnelligkeit, der Rhythmus ist irgendwie ein Teil von uns Menschen. Außerdem werden im Senegal früher wie heute übers Trommeln bestimmte Nachrichten überbracht. So ziehen auch heute die Griots von Dorf zu Dorf – und an dem Rhythmus, den sie spielen, erkennen die Dorfbewohner, welche Art von Zeremonie dort veranstaltet wurde, also zum Beispiel eine Beerdigung oder eine Hochzeit.
Haben Sie den Eindruck, westafrikanische Rhythmen passen zur deutschen Kultur?
Viele sind davon begeistert. Afrikanische Musik wird hier wahrgenommen, aber es kommt darauf an, in welchem Kontext. Wir haben mal auf einem Oktoberfest gespielt, da kam die Musik irgendwie überhaupt nicht an. Als ich aber auf einem anderen Oktoberfest getrommelt habe, hat es gepasst und die Leute haben mitgefeiert.
Waren Ihre deutschen Freunde auch schon mal im Senegal?
Vor Corona war ich immer zweimal im Jahr im Senegal und habe dort Trommel- und Tanzworkshops gegeben. 2017 war ich mit der Gruppe „Impuls“ in meiner Heimat. Dort hatten wir sogar einen Auftritt im Frühstücksfernsehen. Sie haben vor Senegalesen gespielt, die selbst nicht trommeln konnten. Ich war wirklich stolz auf sie und ihre tolle Leistung.
Und wie ist die Resonanz von anderen Afrikanern hier in Deutschland? Kommen die auch zu Ihren Workshops?
Ja, im Moment unterrichte ich auch zwei junge Afrikaner in meinen Trommelkursen. Auch zu Konzerten und Veranstaltungen lade ich immer wieder befreundete Afrikaner ein. Für sie ist es dann auch ein Stück Heimat, wenn sie mit uns Musik machen oder uns zuhören.
Wie steht Ihre Familie im Senegal inzwischen zum Trommeln und Ihrem Leben hier?
Meine Mutter hat mich genau wie meine Kinder schon mehrmals in Deutschland besucht. Natürlich freut sich meine Familie, dass ich damit Geld verdiene, aber sie vermisst mich auch, genauso wie ich sie. Doch von meinem Trommeljob hier in Deutschland konnte ich das siebenjährige Management-Studium meiner Schwester finanzieren. Auch meine Mutter unterstütze ich finanziell, sie arbeitet als Zwischenhändlerin für Kohle und Holz. Und meine Kinder gehen im Senegal auf eine gute private Schule. Meine Familie im Senegal hat alles: Handy, Strom, sogar den Bezahlsender Sky. Sie erzählen mir immer, wie manche Fußballspiele ausgegangen sind, weil ich selbst kein Sky habe (lacht).
Wie nehmen Ihre Bekannten im Senegal Deutschland und Europa wahr?
Dort sieht man im Fernsehen nur den Luxus, nur die schönen Seiten. Die Wahrheit, die Realität wird nicht im Fernsehen gezeigt. Ich glaube, es herrscht dort eine falsche Wahrnehmung vom Leben hier. Viele Leute in Afrika denken, dass ich hier in Deutschland alles auf Knopfdruck kriege. Die wissen nicht, wie viel ich lernen musste und wie ich mit den Menschen umgehe. Das kostet viel Energie. Ich habe nichts geschenkt bekommen. Meine Kinder und meine Mutter wissen genau, wenn ich hier nicht so hart arbeite, dann haben sie kein Geld mehr. Ich sage meinen Kindern immer, sie sollen lernen und Abitur machen und dann können sie gehen, wohin sie wollen – auch nach Europa. Ich denke, manche Afrikaner sind enttäuscht, weil es hier nicht so ist, wie sie es sich vorgestellt haben. Doch ich fühle mich sehr wohl hier.
Welche Musik hören Sie, wenn Sie gerade nicht trommeln?
Natürlich höre ich gerne afrikanische Musik, zum Beispiel Youssou N’Dour. Aber meistens höre ich deutsches Radio, ich will ja auch wissen, was hier gespielt wird, was hier so angesagt ist.
Das Gespräch führte Melanie Kräuter.
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