Die Corona-Pandemie hat einen Einbruch der Weltwirtschaft verursacht, der arme Länder hart trifft; die Einnahmen vieler Regierungen sinken, steigende Ausgaben müssen sie mit Krediten decken. Echte Staatsbankrotte sind aber bisher ausgeblieben. Entwarnung also bei der Verschuldung von Entwicklungsländern?
Keineswegs, sagt die neue Ausgabe des Schuldenreports, den die Initiative erlassjahr.de und Misereor jedes Jahr vorlegen. Für die meisten Länder haben sich die Schuldenindikatoren verschlechtert; dazu gehören das Verhältnis der öffentlichen Schulden und der Auslandsschulden zum Sozialprodukt sowie das Verhältnis des Schuldendienstes (Zins und Tilgung) zu den Exporteinnahmen. Viele Staaten müssten wegen der Schuldenlast bereits andere öffentliche Ausgaben kürzen – trotz der Pandemie.
39 Länder von Überschuldung betroffen oder akut bedroht
39 Länder sind laut dem Bericht akut von Überschuldung bedroht – dann können sie nicht mehr alle Kredite bedienen – oder bereits betroffen. Darunter sind Länder aller Weltregionen und Staaten mit niedrigem wie mit mittlerem Pro-Kopf-Einkommen. Besonders kritisch sei die Lage in kleinen Ländern und Inselstaaten, die vom Tourismus abhängen, sowie in Ländern, deren Pro-Kopf-Einkommen nur knapp über der Schwelle von niedrigen zu mittleren Einkommen liegt. Denn sie sind von den Schuldenerleichterungen ausgeschlossen, die die führenden Industrie- und Schwellenländer der G20 den ärmsten Ländern anbieten.
Diese Erleichterungen sind laut dem Bericht aus weiteren Gründen völlig unzureichend. Zum einen sind Zins- und Tilgungszahlungen für die ärmsten Länder lediglich ausgesetzt und müssen später nachgeholt werden. Zum anderen machen private Gläubiger – etwa Investitionsfonds – keine Zugeständnisse, obwohl sie über die Hälfte des Schuldendienstes von Entwicklungsländern erhalten. Die G20 tun nichts dagegen, sondern helfen armen Ländern mit neuen öffentlichen Krediten – zum Beispiel von Entwicklungsbanken –, den Schuldendienst weiter zu leisten.
Staatspleiten werden in die Zukunft verschoben
So werden laut dem Bericht Staatspleiten nicht abgewendet, sondern nur in die Zukunft verschoben. Und wieder einmal nehmen Staaten privaten Gläubigern die Einbußen aus Kreditausfällen ab, die am Ende unvermeidlich sind – Verluste werden sozialisiert.
Misereor und erlassjahr.de fordern, das zu ändern. Sie schlagen unter anderem Schritte vor, mit denen die Bundesregierung in den G7 (deren Vorsitz sie dieses Jahr inne hat) und den G20 durchsetzen kann, dass private Gläubiger in die Pflicht genommen werden. Dafür, so der Bericht, stehen die Chancen besser als früher – schließlich steht im Koalitionsvertrag, dass SPD, Grüne und Liberale sich für ein Staateninsolvenzverfahren einsetzen wollen.
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