Als Beispiel führt die Ende Oktober veröffentlichte Studie Socfin ins Feld, einen börsennotierten Konzern mit Sitz in Luxemburg, der vor allem in Westafrika und Südostasien Kautschuk- und Palmölplantagen unterhält. Ein großer Teil des Kautschuks wird laut dem Bericht über eine Tochterfirma gehandelt, die im Schweizer Kanton Freiburg ansässig ist. Eine weitere Tochterfirma in Freiburg kümmere sich unter anderem um das Management der Plantagen und stelle konzernintern Dienstleistungen zur Verfügung.
Der Bericht des Netzwerks Alliance Sud, der Hilfsorganisation Brot für alle und des deutschen Netzwerks Steuergerechtigkeit analysiert die Gewinne pro Mitarbeiter in den verschiedenen Ländern und stellt eine sehr ungleiche Verteilung fest: In den afrikanischen Ländern, in denen Socfin tätig ist, machte der Konzern 2020 einen Profit von gut 1600 Euro pro Mitarbeiter. Ganz anders bei den Schweizer Socfin-Töchtern: Sie verzeichneten laut dem Bericht im letzten Jahr einen Gewinn von 116.000 Euro pro Mitarbeiter, also rund 70 Mal mehr als in Afrika.
80 Milliarden Euro Gewinne aus Entwicklungsländern in die Schweiz verschoben - jedes Jahr
Die Gewinne pro Mitarbeiter seien dort am höchsten, wo die Steuern am niedrigsten sind. Dies trifft etwa auf die Schweiz zu, wo das Unternehmen mit weniger als 14 Prozent besteuert wird. In anderen Ländern, wo die Steuersätze höher sind, verzeichne Socfin einen viel tieferen Gewinn. In afrikanischen Ländern mit Steuersätzen zwischen 25 und 33 Prozent müsse die Firma deshalb viel weniger Steuern zahlen.
„Diese Praxis ist bei multinationalen Unternehmen nicht unüblich“, sagt Tina Goethe, Verantwortliche Entwicklungspolitik bei Brot für alle. Sie sei ungerecht, denn sie entziehe den Produktionsländern im Süden dringend benötigte Einnahmen. Jährlich würden auf diese Weise rund 80 Milliarden Euro Gewinne aus Entwicklungsländern in Tiefsteuergebiete wie die Schweiz verschoben, heißt es in dem Bericht – mehr als die Hälfte des Betrags der jährlichen Entwicklungshilfe weltweit. Die Schweiz profitiere stark: Fast 40 Prozent der Gewinnsteuereinnahmen der Kantone und des Bundes seien auf derartige Transaktionen zurückzuführen.
Forderung nach mehr Transparenz
Die Schweizer Wochenzeitung „WOZ“ hat Socfin mit dem Bericht konfrontiert. Der Konzern antwortete, er weise die „haltlosen Anschuldigungen“ zurück: „Keine Steuerbehörde wirft der Socfin-Gruppe ein missbräuchliches Verhalten vor.“ Die Freiburger Steuerbehörden wollten sich mit Verweis auf das Steuergeheimnis zum Sachverhalt nicht äußern.
Die umfassenden Analysen des Berichts stützen sich mehrheitlich auf Finanzberichte der Holdings von Socfin in Luxemburg. „In der Schweiz wäre es unmöglich, an solche Daten zu kommen, Geschäftsberichte von nicht börsenkotierten Unternehmen sind nicht einsehbar“, sagt Tina Goethe. Um die globale Steuergerechtigkeit voranzutreiben, müsse die Schweiz ihre Transparenzvorschriften drastisch verbessern und Steuerabkommen mit einzelnen Firmen öffentlich machen, sagt Goethe. Das Gleiche gelte für die Länderberichte, die Konzerne in der Schweiz im Rahmen des internationalen Country-by-Country-Reportings der OECD erstellen müssen und die Hinweise auf solche Praktiken geben könnten. Diese sind derzeit nur für Steuerbehörden einsehbar. Schließlich fordern zivilgesellschaftliche Organisationen, dass die Schweiz ein internationales Steuersystem fördert, das Unternehmensgewinne dort besteuert, wo sie erarbeitet wurden, nicht wo die Steuersätze am tiefsten sind.
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