Wer die biblische Figur des Zachäus kennt, ahnt, dass es der Kampagne um radikale Veränderungen geht. Der reiche Zöllner, dessen Wohlstand auf der Kollaboration mit den römischen Machthabern beruht, verspricht nach der Begegnung mit Jesus reumütig, er werde die Hälfte seines Besitzes an die Armen geben und das Vierfache sogar denjenigen, die er betrogen habe.
Bei der Vorstellung der Kampagne Anfang Oktober zogen die Rednerinnen und Redner Parallelen zwischen der Bibelgeschichte und den Verhältnissen heute. Der „zerstörerischen Wirtschaftsordnung“, die mit „anonymen Strategien“ die „imperiale Lebensweise des Westens“ ermögliche, müssten neue Leitbilder entgegengesetzt werden, forderte Pirmin Spiegel, der Hauptgeschäftsführer von Misereor. Das katholische Entwicklungswerk ist eine der mehr als 20 Organisationen, die in Deutschland die Kampagne tragen. Man wolle in Gemeinden und Kirchen das Bewusstsein für (internationale) Steuergerechtigkeit schärfen und sie befähigen, sich für ein besseres System einzusetzen, sagte Spiegel. Es gehe um soziale Umschichtungen von Reich zu Arm und um ein Wirtschaftssystem, das Natur und Umwelt nicht ausbeute. Weltweit wurde die Zachäus-Kampagne 2019 vom Ökumenischen Rat der Kirchen, dem Lutherischen Weltbund, dem Reformierten Weltbund und dem Weltmissionsrat als praktische Antwort auf die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 gestartet.
Kirchen als bedeutender Akteur auf dem Finanzmarkt
Zu den Trägerorganisationen gehört das evangelische Entwicklungswerk Brot für die Welt, das mit Misereor schon seit längerem gemeinsam zur internationalen Steuergerechtigkeit arbeitet. Dass nun über die Kirchen und Gemeinden die Basis einbezogen wird, begrüßte Klaus Seitz, Leiter der Abteilung Politik bei Brot für die Welt. „Die Kirchen sind selbst ein bedeutender Akteur auf dem Finanzmarkt. Außerdem haben sie eine anwaltschaftliche Aufgabe, sich für die Armen und Benachteiligten einzusetzen“, sagte er. Die Kirchen müssten sich öffentlich zu den Ungerechtigkeiten im Steuer- und Finanzsystem stellen, forderte Seitz.
Dass die Corona-Pandemie die Ungerechtigkeiten in Deutschland und weltweit verschärft hat, betonte der Sozialethiker Franz Segbers, Vorsitzender des ökumenischen Netzwerks Kairos Europa, das ebenfalls zu den Trägerorganisationen gehört. Wenige Reiche seien noch reicher geworden, während Millionen Menschen in die Armut getrieben worden seien. „Mit der Kampagne fordern die Christinnen und Christen im globalen Süden ihre Geschwister im Norden auf, sich an Zachäus ein Beispiel zu nehmen“, sagte Segbers. Die Reichen sollten den Armen nicht Almosen geben, sondern das zurückerstatten, was sie in einem ungerechten System angesammelt hätten.
"Es fehlt der politische Wille"
Für Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit kommt die Kampagne genau zum richtigen Zeitpunkt. Die Veröffentlichung der Pandora Papers zeige einmal mehr, wie die Mächtigen Steuern hinterziehen und sich auf Kosten der Armen bereichern. „Illegitime Finanzflüsse sind ein Angriff auf die Demokratie und verhindern globale Gerechtigkeit. Es braucht eine sozialökologische Transformation“, forderte er.
Klare internationale Regeln forderte auch die ehemalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die Mitglied im internationalen Facti-Panel war, das nach einjähriger Arbeit auf UN-Ebene Anfang des Jahres Empfehlungen für ein transparentes internationales Steuerregime vorgelegt hat. Es brauche weltweit gültige Normen zur Besteuerung multinationaler Unternehmen. „Wir müssen davon wegkommen, dass Staaten miteinander um die niedrigsten Steuern konkurrieren“, sagte Wieczorek-Zeul. Um das politisch durchzusetzen, brauche es noch mehr Druck aus der Zivilgesellschaft und einen besseren Schutz für Whistleblower.
Alvin Mosioma vom Tax Justice Network Africa bezweifelte allerdings, dass es schon bald grundlegende Veränderungen im internationalen Wirtschafts- und Finanzsystem gibt. „Wir wissen, was auf nationaler und globaler Ebene getan werden muss, um Korruption und den Steuerwettlauf nach unten zu stoppen. Es fehlt aber der politische Wille“, sagte er. Deshalb müsse das Thema internationale Steuergerechtigkeit zum „Jedermannsthema“ werden – so wie es der Zachäus-Kampagne vorschwebt.
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