Die Initiative „Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer“ fordert weder einen kompletten Stopp der Rüstungsexporte noch neue Regeln für Exporte. Sie fordert lediglich eine Rückkehr zu den bis 2014 angewendeten Regeln, die der Bundesrat damals und dann noch einmal 2018 gelockert hat. Bis dahin waren systematische Menschenrechtsverletzungen oder ein Bürgerkrieg Gründe, Rüstungsexporte an ein Land abzulehnen.
2019 wurde die Initiative eingereicht. Sie will Waffenexporte auf demokratische Staaten mit einer mit der Schweiz vergleichbaren Exportkontrolle beschränken und fordert zudem die Mitsprache von Parlament und Bevölkerung. Es geht der Allianz von Menschenrechts-, Friedens- und Frauenorganisationen, Hilfswerken, kirchlichen Organisationen und Parteien insbesondere darum, dass der Bundesrat nicht alleine über diese Exporte entscheidet.
Demokratische Kontrolle über Waffenexporte
Der Bundesrat hat letztes Jahr zwei Varianten eines Gegenvorschlags in die Vernehmlassung geschickt. 70 Organisationen und Behörden sowie gut 1370 Bürgerinnen und Bürger nahmen dazu Stellung. Die Variante, die nun seit März im Parlament verhandelt wird, geht auf viele der Anliegen der Initiative ein. So sollen Lieferungen an Bürgerkriegsländer oder an Staaten, die Menschenrechte schwerwiegend und systematisch verletzen, nicht mehr möglich sein. Zudem soll die demokratische Kontrolle über Waffenexporte gewährleistet sein, also das Parlament stärker beteiligt werden.
Zugleich gibt sich der Bundesrat in seinem Vorschlag jedoch eine „Abweichungskompetenz“: Im Falle außerordentlicher Umstände und zur Wahrung der außen- oder sicherheitspolitischen Interessen des Landes darf er von den gesetzlichen Bewilligungskriterien abweichen. Die Allianz hat angekündigt, sie werde ihre Initiative nur dann zurückziehen, wenn dieses „Schlupfloch“ geschlossen wird. Wenn nicht, werde sie das Stimmvolk entscheiden lassen.
Schlupflöcher schließen
Der Bundesrat wolle sich mit dieser Ausnahmeklausel die Option offenhalten, dem Lobbying der Rüstungsindustrie entgegenzukommen, sagt Saskia Rebsamen, Mitglied des Präsidiums der Allianz. Das widerspreche dem Willen der Initiative, die ja erst aufgrund solcher „bundesrätlichen Willkürentscheide“ entstanden sei. Für einen Rückzug der Initiative sei es „zwingend“, dass dieser Artikel gestrichen wird, sagt auch Priska Seiler Graf, Nationalrätin der Sozialdemokratischen Partei und Mitglied der Allianz.
Die Sicherheitspolitische Kommission der kleinen Parlamentskammer hat den Regierungsvorschlag im März bereits verabschiedet, ohne die „Abweichungskompetenz“ zu streichen. Seiler Graf setzt auf die linken bis bürgerlichen Parlamentarier und Parlamentarierinnen im Initiativkomitee. Sie sollen ihre Ratskollegen überzeugen, diesen Artikel zu streichen, wenn die Vorlage voraussichtlich im Sommer und Herbst in beiden Kammern debattiert wird. Falls es doch zu einer Volksabstimmung kommt, gehe sie davon aus, dass sie angenommen wird.
Rückenwind bekommt die Initiative durch die jüngsten Rüstungsexportstatistiken. Nie zuvor in ihrer Geschichte hat die Schweiz so viele Waffen exportiert wie 2020, darunter auch an Länder mit problematischer Menschenrechtslage wie Brasilien und an solche, die wie Saudi-Arabien am Jemenkrieg beteiligt sind. Für Rebsamen, die auch Mitglied der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) ist, bestätigen diese Zahlen die Dringlichkeit der Initiative. Mit dieser „erschreckenden Bestätigung“ hoffe sie umso mehr auf Unterstützung in der Bevölkerung, falls es zu einer Abstimmung komme. Seiler Graf glaubt, das Volk würde in dieser Frage viel sensibler reagieren als die Politik.
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