Der private Handel wird profitieren

Landwirtschaft
Die neuen Farmergesetze in Indien sind umstritten, seit Wochen gibt es Proteste dagegen. Martin Remppis von Brot für die Welt erklärt, warum.

Martin Remppis ist Berater für Agrarökologie und das Recht auf Nahrung bei Brot für die Welt.
Seit Wochen protestieren indische Bäuerinnen und Bauern gegen drei neue Landwirtschaftsgesetze. Nun hat das Oberste Gericht entschieden, die neuen Gesetze vorerst auszusetzen. Um was geht es in den umstrittenen Gesetzen? 

Das erste Gesetz erlaubt es dem privaten Handel, das bisherige staatliche Vermarktungssystem zu umgehen. Der Handel kann also direkt bei den Bäuerinnen und Bauern Nahrungsmittel und landwirtschaftliche Produkte kaufen. Das zweite Gesetz erlaubt es den Unternehmen, diese zu lagern und über Bundesstaatsgrenzen hinweg zu transportieren. Das war bisher streng staatlich reguliert. Das dritte Gesetz erlaubt das sogenannte Contract Farming: Private Unternehmen können mit Bauern direkt Verträge abschließen, was und wie sie produzieren. Später erhalten sie dann den vereinbarten Preis. 

Was fürchten die Bauern, wenn die Gesetze wie geplant umgesetzt werden?  

Dass sie nicht gut bezahlt werden. Die staatlich regulierten Ankaufszentren sind verpflichtet, einen Mindestpreis für bestimmte Nahrungsmittel zu bezahlen. Obwohl die staatliche Vermarktung oft nicht richtig funktioniert, sie teils ineffizient und korrupt ist, sind die Bauern besorgt, dass sie gegenüber den privaten Unternehmen keine Verhandlungsmacht haben und die Preise gesenkt werden. Weil der Mindestpreis in den neuen Gesetzen nicht erwähnt wird, haben die Bauern Angst, nicht mal diesen gezahlt zu bekommen.

Die Regierung glaubt, dass durch die Liberalisierung des Marktes die Preise und damit die Einnahmen für die Bauern steigen. Ist das realistisch? 

Das ist schwierig abzuschätzen. Es ist allerdings bemerkenswert, dass sich die Regierung in den Gesetzen vorbehält, dass man nicht gegen sie klagen kann, sollten sich Nachteile für die Bauern ergeben. Die Regierung will mit den Gesetzen ein sehr drängendes Problem angehen, nämlich die Nachernteverluste zu reduzieren. Durch schlechte Lagerung und geringe Transportkapazitäten verdirbt sehr viel Nahrung in Indien – in einem Land, in dem knapp 190 Millionen Menschen unter Hunger und Mangelernährung leiden. 

Wer würde am meisten von den neuen Gesetzen profitieren? 

Ganz klar der private Handel, weil er direkt bei den Bäuerinnen und Bauern einkaufen und selbst Nahrungsmittel lagern und transportieren kann. Dadurch erhoffen sich Handelskonzerne höhere Gewinne. Die Auswirkungen auf die Landwirtschaft sind noch schwierig abzuschätzen. 

Das Oberste Gericht hat nun eine Kommission berufen, die Kompromisse zwischen den Farmern und der Regierung aushandeln soll. Wie könnten die aussehen? 

Die Bauernbewegung hat nun die Chance, auf Missstände aufmerksam zu machen und präzise Forderungen zu stellen, zum Beispiel, dass der Mindestpreis erhalten bleibt, angepasst wird und effektiv eingefordert werden kann. Schon vor den neuen Gesetzen war die Situation der Bauern dramatisch, etwa was Verschuldung oder niedrige Preise angeht. Das zeigt, dass es in der Landwirtschaft Reformbedarf gibt. 

Das Gespräch führte Melanie Kräuter. 

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erschienen in Ausgabe 2 / 2021: Gesundheit weltweit schützen
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