Der Bundestag hat Anfang November über den zweiten Bericht der Bundesregierung zur Lage der Religionsfreiheit debattiert. Nach dem Bericht gerät dieses Menschenrecht zunehmend unter Druck. Drei von vier Menschen weltweit lebten in Ländern, in denen die Religions- und Weltanschauungsfreiheit eingeschränkt sei, erklärte Markus Grübel, der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit. Betroffene würden verfolgt, diskriminiert oder erlitten Gewalt. Der CDU-Politiker Sebastian Brehm sagte: „Die Feststellungen in dem Bericht sollten uns ein Alarmsignal sein.“
Besondere Aufmerksamkeit schenkt der vom Auswärtigen Amt und dem Entwicklungsministerium gezeichnete Bericht dem Internet, in dem religions- und gruppenbezogene Hassrede und Hetze sich immer mehr verbreiten und sich laut Grübel etwa verschärfend auf den Konflikt um die muslimischen Rohingya in Myanmar ausgewirkt haben. Andererseits könne digitale Kommunikation auch die Glaubensfreiheit stärken. Ein weiterer Ausdruck des Trends sind Blasphemiegesetze, die laut dem Bericht inzwischen in rund 70 Staaten Verstöße mit teils drakonischen Strafen ahnden. In 99 Ländern werden laut Bundesregierung religiöse Gruppen bestraft, wenn sie versuchen, andere Menschen von ihrem Glauben zu überzeugen.
Antikonversionsgesetze sollten dabei auch deutschen Behörden eine Warnung sein, mahnte der Abgeordnete Volker Kauder für die CDU/CSU-Fraktion: So dürften etwa konvertierte Christen nicht in den Iran abgeschoben werden, wo ihnen die Todesstrafe drohe. Die Menschenrechtsbeauftragte Bärbel Kofler (SPD) betonte den unauflöslichen Zusammenhang von Religionsfreiheit mit anderen Menschenrechten: Autokraten oder Theokraten nutzten Religion oft als Deckmantel zur Unterdrückung.
Erfreulich nennt der Bericht Fortschritte im Sudan
Der rund 200 Seiten umfassende Bericht geht in 30 Länderkapiteln auf Entwicklungen „von besonderem Interesse“ ein – darunter in Afghanistan, Ägypten, Brasilien, Kenia, Malaysia, Saudi-Arabien und Vietnam. Bei der Vorstellung betonte Grübel die dramatische Lage der Uiguren in China und der Rohingya in Myanmar, ging auf die in Pakistan wegen Gotteslästerung verurteile Christin Asia Bibi ein und hob die Lage der religiösen Minderheiten im Iran und in Teilen Nigerias hervor. Auch ein erfreuliches Beispiel nannte er: Im Sudan ist mit dem Regime von Omar al-Bashir 2019 auch die Todesstrafe für Apostasie gefallen, also für den Abfall vom Glauben. Zudem wurde das Weihnachtsfest eingeführt und Juden wurden eingeladen, ins Land zurückzukehren.
Als praktische Konsequenz aus dem Bericht forderte die FDP die Abschaffung des deutschen Blasphemiegesetzes. Gyde Jensen, die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte, sagte, wenn sie dem ägyptischen Botschafter Vorhaltungen über Verstöße mache, halte der ihr entgegen, dass selbst in Deutschland Blasphemie strafbar sei. Ebenfalls zu Ägypten verlangte die Linke Konsequenzen im Geschäft mit Rüstungsgütern. Die Grünen kritisierten „Leisetreterei“ gegenüber China. Aus Sicht des Beauftragten Grübel indes geht Dialog vor Sanktionen. Der Bericht solle anklagen und Solidarität aufzeigen, Sanktionen seien das äußerste Mittel. Wenn man sehe, wo überall Religionsfreiheit oder andere Menschenrechte verletzt würden, könnte Deutschland fast mit keinem Land der Welt Handel treiben.
Dramatische Lage für christliche und schiitische Gläubige in Pakistan
Einen aktiveren außenpolitischen Einsatz für das Menschenrecht auf Religionsfreiheit fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Deutschland und die EU nutzten ihr Potenzial nicht aus, kritisierte GfbV-Direktor Ulrich Delius. Verfolgt würden neben Christen auch Hunderte Millionen Menschen muslimischer, buddhistischer, jesidischer und vieler anderer Religionen. In Indien litten die muslimischen und christlichen Minderheiten unter starken Einschränkungen, in Pakistan sei die Lage für christliche und schiitische Gläubige sowie für Hindus dramatisch, vor allem wegen der willkürlich angewandten Blasphemievorschriften. Auch in der Türkei- und der Nahostpolitik müsse Deutschland aktiver sein. „Christliche, alevitische, jesidische und andere religiöse Minderheiten ringen dort um ihre Existenz“, sagte Delius.
Für die Kirchen reagierten der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm. „Wenn wir Frieden erreichen wollen, dann brauchen wir die Religionsfreiheit“, betonte Schick, der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz. Bedford-Strom sprach von einem erschreckenden und nicht hinnehmbaren Befund, dass insbesondere Christen und Christinnen in ihrem Glauben Beschränkungen ausgesetzt seien. Auch er forderte Konsequenzen aus dem Bericht im Hinblick auf Abschiebungen in den Iran.
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