Seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Omar al-Bashir im April 2019 hat der sogenannte Souveräne Rat, ein elfköpfiges Gremium aus Militärs und Zivilisten, die Geschicke des Landes in der Hand. Bis zu den nächsten Wahlen im Jahr 2022 soll er die Gesellschaft demokratisieren. Diese Auflage knüpfen internationale Finanzorganisationen an ihre Unterstützung. Auch die knapp 40 Geberstaaten, die sich Mitte Juli auf ein milliardenschweres Hilfsprogramm geeinigt haben (Deutschland will 150 Millionen Euro beisteuern), fordern Reformen.
Die Übergangsregierung zeigt mit der jetzigen Justizreform, dass sie die Islamisierung des Sudans der vergangenen Jahrzehnte stoppen will. Wer vom Islam abfällt, wird künftig nicht mehr mit dem Tode bestraft. Auch für gleichgeschlechtlichen Sex wurde die Todesstrafe abgeschafft. Zudem ist es künftig verboten, andere des Unglaubens zu bezichtigen – eine Praxis, mit der extremistische Muslime jahrelang ihre Angriffe auf liberale und moderate Muslime gerechtfertigt haben. Verboten sind außerdem öffentliche Auspeitschungen, um Vergehen gegen die Scharia zu ahnden. Wer nicht Muslim ist, darf wieder Alkohol trinken, ihn importieren und verkaufen. Das betrifft vor allem die drei Prozent Christen im Sudan.
Insbesondere für die Frauen unter den 43 Millionen Einwohnern wird sich viel ändern. Zum einen dürfen sie ab sofort mit ihren Kindern verreisen, ohne dass ihr Mann zustimmen muss. Zum anderen wurde die Verstümmelung weiblicher Genitalien verboten. Nach einem UN-Bericht von 2014 waren 87 Prozent der Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren von dieser brutalen Praxis betroffen. Jetzt müssen diejenigen, die Genitalverstümmelungen durchführen, mit Gefängnis von bis zu drei Jahren und mit einer Geldstrafe rechnen. Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen, in denen die Eingriffe durchgeführt werden, droht die Schließung.
Internationale Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch loben die Lockerungen als einen wichtigen Schritt in Richtung Religionsfreiheit und Menschenrechte. Gleichzeitig geben sie zu bedenken, dass konservative Muslime die Lockerungen als einen Affront gegen den eigenen Glauben verstehen könnten. So weist die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) darauf hin, dass es im Sudan immer noch Kräfte gebe, „die versuchen, diese Entwicklung aufzuhalten oder zu verwässern. Es ist ein schwieriges Umfeld, in dem sich diese Menschen bewegen, die sich für eine stärkere demokratische Öffnung des Sudan einsetzen“, sagt Ulrich Delius, Direktor der GfbV, in einem Interview.
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