Zum ersten Mal in Bangladesch

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Unicef
Der Youtuber Julien Bam während seines Besuchs in Bangladesch.
Globale Bildung
Influencer können Entwicklungsorganisationen helfen, junge Menschen zu erreichen. Aber bei der Zusammenarbeit kann einiges schiefgehen.

„Meine Reise in die Slums von Bangladesch“ heißt ein Video, das Julien Bam im Mai 2019 auf Youtube veröffentlicht. Julien Bam ist mit mehr als fünf Millionen Followern einer der erfolgreichsten deutschen Influencer. Seine aufwändig produzierten Clips sind meist laut und albern, er singt und tanzt, parodiert Musikhits. Auf dem Video aus Bangladesch schlägt der 31-Jährige leisere Töne an. Er reist durchs Land, trifft Menschen, die mit Armut und den Folgen des Klimawandels zu kämpfen haben, und denkt darüber nach, was all das mit ihm zu tun hat.

Mehr als 1,9 Millionen Aufrufe zählt das Video auf Youtube. Viel Aufmerksamkeit für das Kinderhilfswerk Unicef, dessen Projekte Bam in Bangladesch besucht hat. „Das Feedback war toll“, sagt Daniel Debray, der bei Unicef für Influencer-Kooperationen zuständig ist. „Es gab 16.000 Kommentare auf Youtube und wir haben durch die Aktion 90.000 Euro an Spenden eingenommen.“

Vor allem hat Unicef eine begehrte Zielgruppe erreicht: junge Menschen, die sich eher über Youtube oder Instagram informieren als über klassische Medien. Taugt das als Vorbild für andere Hilfsorganisationen, die nach Wegen suchen, das Interesse Jugendlicher und junger Erwachsener an entwicklungspolitischen Themen zu wecken? Dieser Frage gingen Fachleute Mitte November bei einer Veranstaltung der Filmtage Globale Perspektiven an der Evangelischen Akademie Frankfurt nach.

Kein Einfluss auf die Inhalte

Die Zusammenarbeit könne durchaus zur globalen Bildung beitragen, findet Debray. „Dank des Videos von Julien Bam haben wir neue Follower auf unseren Instagram-Kanälen gewonnen. Und dort informieren wir über unsere Arbeit und unsere Jugend- und Hochschulgruppen.“ Wichtig sei aber nicht nur die Reichweite, sondern auch, dass die Influencer Raum für komplexe Geschichten aus Entwicklungsländern schaffen könnten. Im Fall von Julien Bam geht das auf: Trotz der rührseligen Aufmachung des knapp 13-minütigen Videos werden Zusammenhänge nicht übermäßig vereinfacht. So gelangt Bam etwa zu der Erkenntnis, dass den Näherinnen in den Textilfabriken nicht geholfen wäre, wenn wir Europäer keine Kleidung mehr von dort kaufen würden.

„Julien Bam war ein Glücksgriff. Er hatte ehrliches Interesse und wollte seinen Followern zeigen, wie Entwicklungshilfe funktioniert“, sagt Debray. Unicef habe die Reise nach Bangladesch unterstützt, aber, wie in solchen Fällen üblich, kein Honorar bezahlt. Auf den Inhalt habe man keinen Einfluss gehabt, so Debray: „Wir haben das Video erst gesehen, als es fertig war. Dieser Kontrollverlust schreckt manche vielleicht ab.“

Das Vorurteil, Influencer würden nur Mode- oder Schminktipps geben, sei längst überholt, meint Christian Frevel vom Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche Adveniat. „Influencer erklären, wie sie die Welt sehen. Und damit können sie anderen vermitteln, dass jeder eine Mitverantwortung für das trägt, was in der Welt passiert.“ Entscheidend sei, die passenden Partner zu finden. Auch wenn kein Geld fließe, gehe es dabei immer um ein Tauschgeschäft. „Die Influencer wollen Marken aufbauen, und das ehrenamtliche Engagement stärkt ihre Glaubwürdigkeit.“

Kritik von Partnerorganisationen

Dass nicht jeder Gehversuch mit Influencern zum Ziel führt, hat Frevel selbst erlebt. 2017 schlossen sich Adveniat und das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt für die mehrteilige Serie „frei.willig.weg“ mit dem Jugendsender Funk zusammen. In wackligen Handyvideos begleitet der Youtuber Manniac darin zwei „weltwärts“-Freiwillige in Kamerun und Paraguay. Die Serie sei bei den Partnerorganisationen vor Ort auf Kritik gestoßen, weil es zu sehr um die Freiwilligen ging und lokale Zusammenhänge vernachlässigt worden seien, erzählt Frevel. „Es war keine absolute Katastrophe, aber auch kein Erfolg.“

Auch das katholische Hilfswerk Misereor hat bereits Influencer zu Projekten im Ausland eingeladen. Im vergangenen Jahr besuchten die beiden Youtuberinnen CatyCake und Silvi Carlsson ein Zirkusprojekt in einem Armenviertel von Rio der de Janeiro in Brasilien. In ihren Videos interviewen sie Jugendliche, die von ihrem Leben mit Gewalt und Armut berichten – und erzählen von dem Kulturschock, den sie dort selbst erlebt haben. Von ihren Followern ernteten CatyCake und Silvi Carlsson dafür viel Anerkennung, auch weil sie die Einnahmen aus dem Video an Misereor gespendet haben.

Die Zusammenarbeit sei intern kontrovers diskutiert worden, sagt Georg Thünemann von Misereor. Und zumindest CatyCake, die auf Youtube auch mal von ihren gedehnten Ohrlöchern erzählt und bei Instagram gerne im Bikini posiert, will nicht so richtig zum Profil eines katholischen Hilfswerks passen. Silvi Carlsson, die sich sonst Themen wie Feminismus und veganem Essen annimmt, scheint da der bessere Match zu sein.

Man plane weitere Projekte mit Influencern, sagt Thünemann. Sie seien spannende Partner, wenn es darum gehe, persönliche Geschichten zu erzählen. „Influencer sind eine Ergänzung zum klassischen Journalismus, der Informationen vermittelt und stärker einordnet“, findet Thünemann. Deshalb werde Misereor auch in Zukunft Journalisten und Journalistinnen aus Print, Radio und Fernsehen zu Pressereisen ins Ausland einladen.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2020: Auf die Heißzeit vorbereiten
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