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Eine-Welt-Arbeit
Eine-Welt-Initiativen müssen neue und jüngere Mitstreiter gewinnen, wenn sie in der Gesellschaft wirken wollen. Gelingen kann das aber nur, wenn sie sich für neue Ideen öffnen.

Das Engagement vieler Eine-Welt-Initiativen ist in die Jahre gekommen. Manche Gruppen kennen sich seit 30 Jahren. In dieser Zeit haben sie ihre eigenen Formen von Zusammenarbeit gefunden. Neue Mitstreiter zu gewinnen, kann dann schwierig werden. Gleichzeitig hat sich bürgerschaftliches Engagement verändert. Zwar ist laut Studien knapp ein Drittel der Bevölkerung grundsätzlich bereit, etwas für das Gemeinwesen zu tun – auch in der Altersgruppe der 14- bis 24-Jährigen. Aber die Formen des Engagements wandeln sich.

Die junge Generation ticke „eindeutig anders“, sagt Hannah Fischer, Promotorin für Junges Engagement beim Eine-Welt-Netz Nordrhein-Westfalen. Das liegt an veränderten Lebensverhältnissen. Junge Menschen sind zeitlich und räumlich wenig gebunden, daher wollen sie sich nur punktuell einbringen. Formale Strukturen stellen dann eine Hürde dar. Die Generation der unter 30-Jährigen will sich eher an konkreten Aktionen beteiligen, als sich langfristig durch eine Vereinsmitgliedschaft zu binden.

Die deutsche Gesellschaft verändern

Nachhaltiger Konsum, Flucht, Migration und Rassismus seien die Themen der jungen Erwachsenen, fügt Fischer hinzu. Sie interessierten sich vor allem dafür, was sich in der deutschen Gesellschaft ändern muss. Ein Projekt zur Trinkwasserversorgung in Äthiopien locke kaum noch jemanden. Im Mittelpunkt ihres Interesses stehen neue Aktionsformen wie Food Sharing, eine Initiative gegen Lebensmittelverschwendung, Transition Towns, lokale Initiativen zum Übergang in die postfossile Gesellschaft oder Unverpackt-Läden, in denen auf Plastik verzichtet wird. „Für meine Generation sind die Unverpackt-Läden das, was für die Älteren die Weltläden sind“, meint Fischer.

Christopher Pavenstädt vom Jungen Entwicklungspolitischen Forum (Jep) des Bremer entwicklungspolitischen Netzes hält dagegen weniger die Themen als die Art des Zugangs für entscheidend. Im Jep, einer Gruppe von jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren, sei fairer Handel durchaus ein Thema, sagt er. Zu Ostern haben Mitglieder der Gruppe als Hasen verkleidet vor einem Supermarkt in Bremen gegen unfaire Bedingungen in der Kakaoproduktion protestiert. Aktionen, die Spaß machen und das Gemeinschaftsgefühl stärken, kämen bei jungen Leuten an, meint der 25-jährige Politikwissenschaftler, der als Hauptamtlicher das Forum betreut. Die Verständigung läuft über Facebook und einen Telegram-Chat. Die Gruppe beschäftigt sich mit Elektroschrott, Postwachstum, Rassismus und Postkolonialismus. Mit klassischer Projektarbeit im globalen Süden dagegen habe die jüngere Generation wenig im Sinn, da ist sich Pavenstädt mit Hannah Fischer aus Nordrhein-Westfalen einig.

Im Osten ist die Idee noch jünger

Gruppen wie das Jep in Bremen sind derzeit noch eine Ausnahme in den Eine-Welt-Netzwerken der Bundesländer. Bei den Weltläden ist der Generationenwechsel aber inzwischen zu einer zentralen Aufgabe geworden. Der Altersdurchschnitt bei Läden, die rein ehrenamtlich geführt werden, liegt bei 60 Jahren, wie eine Erhebung der Weltladen-Akademie ergeben hat.  Im Westen Deutschlands haben zahlreiche Fachgeschäfte für fairen Handel bereits 40-jährige Jubiläen gefeiert.

Autorin

Claudia Mende

ist freie Journalistin in München und ständige Korrespondentin von „welt-sichten“. www.claudia-mende.de
Birgit Schößwender von der Weltladen-Akademie berät die Teams beim Stabwechsel an die Jüngeren. Für junge Menschen verströme ein Weltladen nicht mehr den „Duft des Neuen“, erklärt sie. Stattdessen sei fairer Handel Teil des Establishments. Dennoch gelinge es manchen Weltläden, ein Team mit Mitarbeitern von Jung bis Alt aufzubauen. Gerade im Osten Deutschlands, etwa in Halle, gibt es einige positive Beispiele. Hier ist die Weltladenidee noch jünger. 

Wichtig sei, sich auf den Wandel des Ehrenamtes einzustellen, betont Schößwender: „Wir empfehlen zum Beispiel, gezielt nach neuen Mitarbeitern für ganz konkrete Aufgaben wie etwa zur Dekoration oder für den Ladendienst zu suchen und sie dann nicht mit zu hohen Erwartungen zu überfordern.“

Erneuern oder auflösen

Schößwender plädiert auch dafür, sich für neue Initiativen wie die Postwachstumsbewegung oder Urban Gardening zu öffnen, etwa durch gemeinsame Aktionen. Das bringe zwar unmittelbar keine neuen Mitarbeiter, trage aber zu einer Verjüngung des Images bei, sagt sie. Auch Hannah Fischer hält es für zentral für die Eine-Welt-Bewegung, an neue Formen des Engagements anzuknüpfen  – und sei es die Kleidertauschparty mit veganem Essen.

Die Offenheit für neue Themen und Aktionsformen fällt unterschiedlich aus. Fischer fehlt  bei manchen Älteren die Einsicht, wie wichtig soziale Medien sind, um junge Menschen zu erreichen. „Einige Vereine werden sich mangels Nachwuchs auflösen“, befürchtet sie. Christopher Pavenstädt ist dagegen bei den anderen Mitgliedsgruppen im Bremer entwicklungspolitischen Netzwerk auf Interesse für neue Ansätze gestoßen. Die Bereitschaft, Neues zu wagen, ist keine Frage des Alters.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2018: Mehr als Reis und Weizen
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