20 Jahre hatten die EU und die Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay verhandelt, bis im Juni 2019 eine politische Einigung verkündet wurde. Anfang Juli 2020 kündigte Handelskommissar Phil Hogan an, dass der Vertrag im Lauf des Oktobers übersetzt in die EU-Amtssprachen vorliegen soll. Und die Bundesregierung hat sich für ihre bis Dezember dauernde EU-Ratspräsidentschaft „zügige Fortschritte bei der Finalisierung des Abkommens“ vorgenommen.
Unklar ist aber, wie die Verabschiedung laufen wird. Denn der Handelsvertrag ist bislang formal als Teil eines umfassenden Assoziierungsabkommens zwischen EU und Mercosur angelegt, das zusätzlich einen politischen Teil umfasst. Da letzterer in den Bereich Außenpolitik fällt, gelten dort höhere Hürden für eine Verabschiedung. Denn Außenpolitik ist im Unterschied zur vergemeinschafteten Handelspolitik weiter vor allem eine Domäne der EU-Mitgliedstaaten. Wenn beide Teile zusammen verabschiedet werden, muss der Handelsvertrag dieselben Hürden wie der Teil des Abkommens zur Außenpolitik überwinden.
Komplizierend kommt hinzu: Auch einzelne Teile von Handelsabkommen selbst können in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fallen.
Das heißt: Für diese beiden Fälle bräuchte es dann nicht nur die Zustimmung des Europaparlaments und eine qualifizierte Mehrheit im EU-Ministerrat. Stattdessen müsste der Ministerrat den gesamten Assoziierungsvertrag oder zumindest den politischen Teil und die betreffenden Abschnitte des Handelsteils sogar einstimmig verabschieden. Zudem müssten alle Parlamente jener Mitgliedstaaten den Vertrag ratifizieren, in denen die nationale Gesetzgebung das vorsieht. Das weckt Erinnerungen an das EU-Handelsabkommen Ceta mit Kanada: Dieses hatte das belgische Regionalparlament in der Wallonie 2016 im Alleingang fast gekippt.
Es würde also ein Land oder sogar eine Region ausreichen, um das Abkommen zu blockieren. Aus mehreren Staaten kommen schon entsprechende Signale. So hat laut Presseberichten das niederländische Parlament im Juni die Regierung aufgefordert, das Abkommen nicht weiter zu unterstützen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte bereits im Jahr 2019 Widerstand angekündigt. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz wurde im Januar mit den Worten zitiert: „So, wie das Abkommen jetzt ist, wird es nicht kommen.“
or diesem Hintergrund streiten Europapolitiker außer um die Inhalte des Mercosur-Abkommens auch um das Verfahren. Der Europaabgeordnete Sven Simon von der CDU, der das Abkommen verteidigt, befürwortet, möglichst große Teile des Handelsabkommens so zu verabschieden, dass sie in die alleinige Kompetenz der Europäischen Union fallen. Anderenfalls, so der Jurist, „gefährden wir die Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit der EU bei künftigen Handelsabkommen“.
Anna Cavazzini von den Grünen hingegen spricht von einem unfairen Trick, sollte das Assoziierungsabkommen in zwei Teile getrennt werden, einen für Handel und einen für politische Fragen. Cavazzini ist für hohe prozedurale Hürden, damit die Skeptiker ein Druckmittel für Nachverhandlungen haben. Die Europaabgeordnete verweist unter anderem auf das Kapitel zur Nachhaltigkeit im Handelsteil: Dessen Streitbeilegungsmechanismus sei zahnlos und erlaube es nicht, bei einer Verletzung von Umweltnormen Handelspräferenzen zu entziehen. Sven Simon hingegen bezeichnet den Streitbeilegungsmechanismus als „ambitioniert“ und einen „Meilenstein der internationalen Rechtsgeschichte“. Das Abkommen werde zudem den Bürgern beider Seiten Vorteile bringen.
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