Gilmore hält nichts davon, Länder in Afrika und anderswo in Sachen Menschenrechte zu schulmeistern. „Unser Ansatz ist es viel eher, andere Länder zu überzeugen, als sie zu belehren“, sagt der irische Diplomat zu „welt-sichten“. Es gebe zwar menschenrechtliche Probleme, die Entwicklungsländern gemeinsam seien, etwa bei sozialen und wirtschaftlichen Rechten, beim Zugang zu Wasser und Sanitärversorgung. Solche gebe es aber auch in entwickelten Ländern.
Mit Blick auf die Verletzung der Rechte sexueller Minderheiten und das Argument, dass solche Rechte eine Frage der Kultur seien, sagt Gilmore: „Es ist nicht so lange her, dass wir dieselben Argumente gehört haben – und womöglich hören wir sie in manchen europäischen Ländern immer noch.“ So habe Irland die Strafbarkeit von Homosexualität erst 1993 abgeschafft, sagt Gilmore, der von 2011 bis 2014 irischer Vizeregierungschef und Außenminister war. Bei seinen Gesprächen argumentiere er nicht mit der Kultur, sondern mit internationalen Verpflichtungen der Partner, „denen sie sich bereits unterworfen haben“.
Der 65 Jahre alte Labour-Politiker hat sein Amt im März 2019 angetreten, das Mandat läuft zunächst für zwei Jahre. Für seine Missionen ist er unter anderem nach Gambia, Äthiopien, Bangladesch, Myanmar, Kolumbien und in die USA gereist. Der Sonderbeauftragte soll die EU-Menschenrechtspolitik wirksamer und sichtbarer machen. Die Grundlinien der Politik sind in einem EU-Aktionsplan zusammengefasst; dessen neue Version – der EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie (2020 – 2024) – soll in Kürze verabschiedet werden.
Eine Politik der Isolierung helfe nicht
Gilmore sagt, dass Politiker und Diplomaten der Drittstaaten ihn auch auf die Politik der EU etwa im Bereich Migration ansprechen. „Natürlich greifen sie bestimmte Themen auf, die in den Medien sind.“ Er habe darauf auch die Vertreter der EU-Staaten aufmerksam gemacht: „Eine unserer Stärken bei der Beschäftigung mit den Menschenrechten außerhalb der EU liegt darin, wie gut wir mit Menschenrechten bei uns umgehen.“ Er sehe es aber nicht so, dass die EU in der Migrationspolitik Menschenrechtsverletzungen begehe und diese seine Arbeit unterminierten.
Auch mit Blick auf ein umstrittenes Projekt in Eritrea nahm Gilmore die EU in Schutz. Dabei unterstützt die EU finanziell die Bereitstellung von Material für ein Straßenbauprojekt, an dem Rekruten des berüchtigten National Service mitarbeiten. Gilmore sagt, die EU kofinanziere nicht das Projekt selbst und damit die Zwangsarbeit, sondern nur die Bereitstellung von Material. Die EU sei klar gegen Zwangsarbeit und er selbst habe dies mehrfach gegenüber Offiziellen des Landes angesprochen. „Die Frage ist, wie kann der National Service beendet werden?“ Eine Politik der Isolierung helfe nicht, die EU setze lieber auf politischen Dialog und Entwicklungshilfe. Abgesehen davon habe sie angesichts der Kritik beschlossen, das Projekt nicht über die bisher beschlossenen Summen hinaus zu fördern.
Als erfreuliche Entwicklungen bei den Menschenrechten, zu denen die EU beigetragen habe, nannte Gilmore, dass die Todesstrafe im Tschad und in Benin abgeschafft worden sei. In anderen Ländern würden nationale Menschenrechtsinstitutionen etabliert und in einigen gebe es Fortschritte bei den Rechten von Frauen sowie homo- und transsexuellen Menschen. All das seien Themen, die von der EU regelmäßig angesprochen würden. Ferner helfe die EU zum Beispiel bei der Erarbeitung nationaler Menschenrechtsaktionspläne in den Golfländern.
Um die Menschenrechte voranzubringen, verfüge die EU über ein breites Instrumentarium, dessen einzelne Teile „wie ein Orchester“ zusammenwirkten, erklärt der Ire. Es reiche von Menschenrechtsdialogen mit Staaten über die Hilfe für Aktivisten und die Arbeit in Organisationen wie den UN bis zu Handelssanktionen. In anderen Fällen sei öffentliche Kritik angebracht. „Ich habe gegenüber Russland den Wunsch ausgedrückt, mit Verantwortlichen zu sprechen, aber bekomme keine Antwort.“ Wenn es vor diesem Hintergrund zu Menschenrechtsverletzungen wie der Inhaftierung von Journalisten in Russland komme, „haben wir keine andere Wahl, als unsere Sicht stärker öffentlich zu kommunizieren“.
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