Den mit Abstand meisten Müll der EU hat im vergangenen Jahr mit 11,4 Millionen Tonnen die Türkei übernommen, gefolgt von Indien mit 2,9 Millionen Tonnen. Den Hauptanteil an allen Müllexporten aus der EU machten mit insgesamt 15,6 Millionen Tonnen Eisenmetalle aus, gefolgt von Papier (5,8 Millionen Tonnen) und Plastik sowie sonstigem Müll (je 2,4 Millionen Tonnen).
Müllexporte in Drittländer sind nach EU-Recht je nach Abfallart und Empfänger erlaubt oder verboten beziehungsweise mit Auflagen verbunden. In Entwicklungsländer darf Müll nur exportiert werden, wenn er dort verwertet wird. Allerdings sind sich Fachleute einig, dass das häufig nicht der Fall ist oder die Verwertung mit Schäden für die Umwelt und die Gesundheit der Arbeiter einhergeht. Besonders im Fokus steht dabei der Plastikmüll. Außerdem gibt es illegale Transporte von als funktionsfähiger Waren deklariertem Müll, darunter gefährlicher Elektroschrott.
Vor diesem Hintergrund will Brüssel eine Kehrtwende: „Die Kommission ist der Auffassung, dass die EU ihre Abfälle nicht mehr ausführen sollte, und wird daher die Vorschriften über die Verbringung von Abfällen und illegale Ausfuhren überprüfen“, heißt es im Europäischen Grünen Deal, den Ursula von der Leyen im Dezember als Hauptprojekt ausgerufen hat. In einer Mitteilung vom März zur sogenannten Kreislaufwirtschaft wird das Vorhaben allerdings relativiert. Jetzt ist nur noch die Rede davon, Ausfuhren von problematischem Müll zu „beschränken“. Nächstes Jahr will die Kommission einen Gesetzesvorschlag vorlegen. Aus EU-Kreisen heißt es, dass unabhängig davon Anfang 2021 Verschärfungen in Kraft träten, die auf das Basler Übereinkommen über die Verbringung gefährlicher Abfälle zurückgingen. Dann seien etwa Plastikmüll-Exporte aus der EU in Entwicklungsländer nur noch möglich, wenn das Plastik recycelt statt bloß irgendwie verwertet werde. Ganz verboten werden sie aber damit nicht.
CDU-Politiker und Industrie sind gegen ein Exportverbot
Die Europaabgeordnete Hildegard Bentele (CDU) findet es richtig, derzeit von einem Exportverbot abzusehen, auch wenn sie es langfristig für richtig hält: Die Europäische Union könne ihren Müll einfach noch nicht allein bewältigen. Für die Zwischenzeit hält das Mitglied des Entwicklungs- und des Industrieausschusses eine Kombination verschiedener Maßnahmen für sinnvoll. Die Exportmengen sollten verbindlich begrenzt werden und die Obergrenzen schrittweise sinken. Auch Zertifizierungssysteme könnten helfen. „Wir müssen besser sicherstellen, dass exportierter Müll aus der EU wirklich recycelt und nicht wild deponiert oder in Flüsse oder das Meer verklappt wird.“
Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist gegen ein Exportverbot. Weder sähen das Basler Übereinkommen und die EU-Abfallverbringungsverordnung Verbote vor, noch sei das mit den Regeln des Welthandels vereinbar, macht der BDI-Referent für Kreislaufwirtschaft, Claas Oehlmann, geltend. Vor allem aber sei es sinnvoll, auch Abfall in eine weltweite Arbeitsteilung einzubeziehen: „Wenn Abfälle in Zukunft global eine Quelle für umweltschonende Recyclingrohstoffe werden sollen, dann müssen solche Materialien grundsätzlich frei auf den Weltmärkten gehandelt werden können.“ Der BDI pocht dabei auf stärkeren Schutz von Gesundheit und Umwelt, vor allem in weniger entwickelten Regionen.
Rolf Buschmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fände strengere Auflagen „hervorragend“, ist aber skeptisch: Illegale Mülltransporte kämen sogar innerhalb Europas vor, in Entwicklungsländern sei die Durchsetzung von Standards zum Beispiel wegen Korruption noch schwerer. Kontrollen müssten daher vor allem in den Exportländern stattfinden, meint Buschmann, was großen Aufwand bedeuten würde. „Im Extremfall müsste der Zoll jeden Container aufmachen.“ Entscheidend ist aus Sicht des BUND-Experten daher nicht die Frage, ob Müllexporte beschränkt oder verboten werden sollen, sondern die Abfallmenge zu reduzieren.
Anna Pegels vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik hält ein Verbot für sinnvoll. Exportiert werde bei Plastik, einer der problematischsten Müllsorten, nur schwer recycelbare Ware. Der geringen Wertschöpfung in den Entwicklungsländern stünden die Umwelt- und Gesundheitsschäden gegenüber. „Dass in diesem Bereich Arbeits- und Umweltstandards durchgesetzt werden, halte ich für illusorisch.“ Pegels verweist auf mehrere Entwicklungs- und Schwellenländer wie China und Vietnam, die in den letzten Jahren ihre Grenzen für Kunststoffmüll weitgehend dichtgemacht hätten. „Das zeigt, dass sie sich nicht mehr anders zu helfen wissen.“
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