Die angehenden EU-Kommissare unter der designierten Präsidentin Ursula von der Leyen mussten sich seit Ende September in Brüssel den jeweiligen Fachpolitikern im Parlament stellen. Urpilainen war in den Entwicklungsausschuss (DEVE) geladen. Dort machte die 44-Jährige klar, dass sie kein Neuling auf diesem Feld ist. Sie hatte schon verschiedene Ämter mit entwicklungspolitischem Bezug inne, saß etwa im gemeinsamen Entwicklungskomitee von Weltbank und Internationalem Währungsfonds, im Verwaltungsrat von World Vision Finnland und war Sondergesandte des finnischen Außenministeriums für Mediation. „Ich bin viel in Afrika gereist“, sagte Urpilainen und gab immer wieder Beispiele. So habe in einem von ihr besuchten äthiopischen Flüchtlingslager nur die Hälfte der Kinder zur Schule gehen können; der Bildung misst die gelernte Lehrerin größte Bedeutung bei.
Immer wieder brachten die Parlamentarier das Thema Migration auf, insbesondere die Frage, ob Entwicklungshilfe an die Kooperation der Partnerländer beim sogenannten Migrationsmanagement gekoppelt werden solle. Allein auf diese Weise lasse sich Migration gar nicht stoppen, erklärte Urpilainen. Schließlich bilde die Entwicklungshilfe nur einen kleinen Teil der Finanzflüsse zum Beispiel in den Niger.
Handels- und Entwicklungspolitik koordinieren
Ursula von der Leyen verlangt eine solche Konditionierung der Hilfe: In von der Leyens „Mission Letter“ an die Finnin heißt es, Urpilainen solle bereit sein, „bilaterale Zahlungen anzupassen, um unsere Ziele im Migrationsmanagement zu erreichen“. Urpilainen sagte in der Anhörung, sie verstehe Entwicklungszusammenarbeit als „einen Teil“ der Migrationspolitik. Zugleich machte sie klar, dass Handels- und Agrarpolitik mit der Entwicklungspolitik koordiniert werden müssten.
Zu dieser Kooperation hatten sich zuvor die designierten Kommissare für Handel und Landwirtschaft, Phil Hogan und Janusz Wojciechowski, bekannt. Hogan versprach den Parlamentariern in seinen schriftlichen Einlassungen, die den Anhörungen jeweils vorangingen, dass er den Handel weiter als Instrument gegen die Armut einsetzen wolle, unter anderem mit einer Revision des Allgemeinen Präferenzsystems, also des Systems von Zoll- und Quotenbefreiungen für einen Großteil der Entwicklungsländer.
Den Entwicklungsfonds in den EU-Haushalt integrieren
Urpilainen nannte die UN-Nachhaltigkeitsziele ihren Kompass. Sie wolle sich für die Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe der Mitgliedstaaten auf 0,7 Prozent des Nationaleinkommens einsetzen und dazu auch die Finanzminister in die Diskussion einbinden. Urpilainen war in ihrer Heimat selbst drei Jahre auf diesem Posten, Finnland hat das Ziel allerdings wie die meisten EU-Staaten nicht erreicht.
Urpilainen will Privatinvestitionen etwa in Afrika fördern und befürwortet die geplante Integration des Europäischen Entwicklungsfonds in den EU-Haushalt. Das will auch das Europaparlament, weil es ihm mehr Mitsprache gäbe, während die AKP-Staaten in Afrika, der Karibik und im Pazifik als Begünstigte des Fonds die Pläne in der Vergangenheit skeptisch sahen. Urpilainen wird die Verhandlungen mit der 79 Staaten starken AKP-Gruppe über einen Nachfolgepakt zum Cotonou-Vertrag abschließen müssen; ihren Worten zufolge ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit.
Bullmann: "Eine ausgezeichnete Wahl"
Insgesamt blieb Urpilainen mit ihren Einlassungen auf der Linie der derzeitigen EU-Entwicklungspolitik und gab sich kooperationsbereit gegenüber den Abgeordneten aller politischen Richtungen. Nach der Anhörung wurde sie hinter verschlossenen Türen von den Fraktionssprechern im Entwicklungsausschuss beurteilt. Das Votum floss in das Urteil des Parlaments über die gesamte Kommission ein, das bis Redaktionsschluss noch nicht feststand.
Udo Bullmann (SPD) nannte die finnische Sozialdemokratin nach der Anhörung eine „ausgezeichnete Wahl“. Hildegard Bentele (CDU) fand Urpilainens Auftritt „grundsätzlich in Ordnung“. Zugleich kritisierte sie, dass die Anwärterin unter anderem zu Umweltschutz und guter Regierungsführung kaum etwas gesagt habe. Der Linken-Abgeordnete Miguel Urbán Crespo stellte fest, Urpilainen habe schöne Worte für die Entwicklungspolitik gefunden, wie das für die EU üblich sei; allerdings entspräche das nicht der Praxis. Ob Urpilainen dies ändern werde, sei offen, so der Spanier.
Kasia Hanula von Concord Europe sprach von einem guten Auftritt. Erfreulich sei etwa, dass Urpilainen Afrika als Kontinent der Möglichkeiten dargestellt habe und mit der Zivilgesellschaft kooperieren wolle. Eine gewisse Vagheit in den Antworten sei bei allen Kommissarsanwärtern normal.
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