Später Schritt Richtung Kohärenz

Friedensförderung
Die Bundesregierung hat ihre Strategien zur Krisenprävention und Friedensförderung vorgelegt. Sie sollen dafür sorgen, dass sich die beteiligten Ministerien in Zukunft besser abstimmen.

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, in Konfliktregionen den Frieden zu fördern – vorrangig mit nicht militärischen Mitteln. Die Palette der Instrumente reicht von Unterstützung für Versöhnungsprozesse in der Gesellschaft, für politische Reformen, das Rechtswesen oder Polizeikräfte über diplomatischen Druck und Flüchtlingshilfe bis zur Beteiligung der Bundeswehr an Friedensmissionen. An Friedensförderung in Ländern wie Afghanistan, Kolumbien oder Mali sind zahlreiche deutsche Ministerien beteiligt: Neben dem Entwicklungs- und Außenministerium (BMZ und AA) oft auch das Innenministerium (BMI), das Justizministerium (BMJV) oder das Verteidigungsministerium (BMvg), manchmal weitere wie das Forschungsministerium.

Sie alle sollen laut den friedenspolitischen Leitlinien der Bundesregierung von 2017 an einem Strang ziehen und gemeinsamen Strategien folgen. Nun liegen diese Strategien vor: je eine zur Rechtsstaatsförderung, zur Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors (SSR) und zu Vergangenheitsarbeit und Versöhnung. Sie wurden unter Führung des Auswärtigen Amts erarbeitet und dabei Beiträge aus der Wissenschaft und von nichtstaatlichen Organisationen einbezogen. Auf der Jahrestagung des „Beirats Zivile Krisenprävention und Friedensförderung“ wurden sie am 25. September in Berlin vorgestellt.

Inhaltlich auf der Höhe der Debatte

Die Fachleute dort beurteilen die Strategien als inhaltlich auf der Höhe der Debatte – und als deutlichen Gewinn. Zum Beispiel lobt die Friedensforscherin Britta Madsen, dass Polizeikräfte in Partnerländern nur noch gestärkt werden sollen, wenn sie von Anfang an auch besser rechenschaftspflichtig gemacht werden sollen. Das sei etwa in Afghanistan erst spät hinzugefügt worden.

Die Strategien orientieren sich allerdings stark am Ideal des funktionierenden, das Recht und die Menschenrechte achtenden Staates. Das ist gerade in von Bürgerkrieg betroffenen oder bedrohten Ländern kurzfristig unrealistisch, das sind meist schwache und fragile Staaten. Wie dort Gruppen eingebunden werden können, die außerhalb des Staates organisiert Gewalt ausüben oder Recht sprechen, lassen die Strategien weitgehend offen. Sie betonen aber zu Recht, dass es immer auf ein genaues Verständnis des Einzelfalls ankommt. Klar ist damit: Diplomaten müssen künftig mehr auf lokale Konfliktherde achten und dazu öfter aus der Botschaft in der Hauptstadt ins Hinterland reisen. Und für die Umsetzung der Strategien wird mehr kundiges Personal gebraucht – auch weil die Abstimmung zwischen den Ministerien aufwändig ist.

Die zu verbessern – darin liegt zunächst die eigentliche politische Bedeutung der Strategien. Diesen Eindruck vermittelt jedenfalls die Jahrestagung des Beirats in Berlin. Heike Thiele, die Beauftragte des Auswärtigen Amtes für Zivile Krisenprävention und Stabilisierung, sagt: „Wir können Außenpolitik nicht mehr alleine gestalten.“ Der Vertreter des Innenministeriums zeigt sich erfreut, dass sein Haus nun zu relevanten Reisen des Entwicklungsministeriums eingeladen werde. Das wiederum wird jetzt regelmäßig vom AA über dessen Vorhaben informiert. Und laut Oberst Frank Richter, der im Verteidigungsministerium die zuständige Unterabteilung Politik leitet, hat die Erarbeitung der Strategien geholfen, dass der Beitrag der Soldaten besser akzeptiert und die Entsendung von Militär nicht sofort mit Gewaltanwendung gleichgesetzt wird. Er weist aber auch darauf hin, dass unterschiedliche Sichtweisen und Interessen der Ministerien nicht beseitigt, sondern nur ausdiskutiert werden können: „Ein einheitliches deutsches Interesse gibt es nicht.“

Die Wirtschaftsförderung ist außen vor

Die drei Strategien sind demnach ein Schritt in Richtung einer kohärenten Friedenspolitik – wenn auch ein später und unvollständiger. Unbeantwortet ist etwa, wie Konflikte zwischen Friedensförderung und Außenwirtschaftsförderung behandelt werden. Wie stark soll die Bundesregierung etwa auf Menschenrechte pochen, wenn das Exporte deutscher Unternehmen gefährden kann? Das Wirtschaftsministerium ist an den Strategien zur Friedensförderung nicht beteiligt.

Noch wichtiger wäre mehr Abstimmung mit anderen Gebern. Deutsches Friedensengagement findet meist im Rahmen multilateraler Einsätze wie in Mali und Afghanistan oder neben dem anderer Staaten statt. Die Abstimmung mit diesen erleichtern die drei Strategien insofern, als die deutsche Seite damit besser weiß, was sie will, sagt jemand aus dem BMZ: Es ist nun niedergelegt, wie etwa Fördermaßnahmen für den Rechtsstaat oder die Polizei gestaltet werden sollten. Zudem wachse Deutschlands Einfluss in Gremien wie dem Entwicklungshilfekomitee (DAC) der OECD, in denen Geber gemeinsame Leitlinien und Schwerpunkte entwickeln, betont Thomas Helfen, der Leiter des mit Frieden befassten Referats im BMZ. Für die Debatte über die Verknüpfung von Nothilfe, Entwicklungshilfe und Friedensförderung habe Deutschland zuletzt die wesentlichen Impulse und Konzepte geliefert.

Damit die Strategien sich zum Beispiel auf Polizei- oder Justizhilfe in multilateralen Einsätzen auswirken, ist aber etwas nötig, was sie nicht liefern können: Mut zum politischen Streit mit den Freunden. Ein Motiv für deutsche Hilfe ist oft – so in Mali und Afghanistan –, den Verbündeten in Paris oder Washington entgegenzukommen. Stattdessen müsste die Bundesregierung sich über schlecht konzipierte Hilfe mit ihnen streiten und die eigenen Ideen durchsetzen wollen.

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erschienen in Ausgabe 11 / 2019: Aufbruch am Horn von Afrika
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