Mehr Druck auf Menschenrechtsverletzer

Brüssel
Für die Durchsetzung der Menschenrechte stehen der Union einige Mittel zur Verfügung – eines davon sind Sanktionen gegen Verantwortliche von Menschenrechtsverletzungen. Um dieses Schwert zu schärfen, wird in Brüssel über eine Neuregelung diskutiert.

Ein Beispiel vom Mai 2017: Die EU setzt Evariste Boshab aus der Demokratischen Republik Kongo auf eine Sanktionsliste. In seiner Zeit als Innenminister habe Boshab die Verhaftung von Oppositionellen und den Tod von Demonstranten verantwortet, heißt es zur Begründung. In den vergangenen Jahrzehnten hat die EU zahlreiche Personen wegen Verstößen gegen die Menschenrechte sanktioniert, unter anderem Regierungsvertreter Weißrusslands, Burundis, Syriens und Venezuelas. Die „restriktiven Maßnahmen“ gegen sie bestehen typischerweise in Einreiseverboten und dem Einfrieren von Vermögenswerten.

Allerdings listet die EU Menschenrechtsverletzer bisher nur, wenn sie zu deren Land Sanktionen verhängt oder eingeleitet hat. Im Fall von Evariste Boshab war wegen der Kämpfe im Kongo ein Waffenembargo verhängt worden. „Bisher reagiert man immer auf regionale Krisen, und dann erlässt man spezifische Maßnahmen gegen einzelne Personen“, erläutert ein EU-Diplomat.
Dieses zweistufige Vorgehen könnte sich künftig ändern. Die Niederlande haben vergangenes Jahr ein „horizontales“ Sanktionsregime bei Verletzungen der Menschenrechte vorgeschlagen. „Horizontal“ heißt: Personen können sanktioniert werden unabhängig davon, wo sich ihr Vergehen abgespielt hat; derzeit greift die EU nur in Fällen von Terrorismus, der Entwicklung, Verbreitung und Anwendung von Chemiewaffen und bei Cyberangriffen auf diese Möglichkeit zurück.

Deutschland unterstützt den Vorschlag

Human Rights Watch befürwortet den Ansatz. Er würde helfen, gegen die Straflosigkeit von Tätern anzugehen, oder Täter sogar abzuschrecken, glaubt Philippe Dam vom Brüsseler Büro der Menschenrechtsorganisation. Er erinnert daran, dass die USA mit dem Global Magnitsky Act über ein ähnliches, oft als Vorbild genanntes Gesetz verfügten, das sich bewährt habe.
Entscheidend sei nicht, ob Brüssel ein neues Menschenrechtsregime einführe, sondern wie es ausgestaltet werde, urteilt die Politikwissenschaftlerin Clara Portela. Eine schlecht konstruierte Regelung könnte den Ruf der EU als Vorreiterin der Menschenrechte sogar beschädigen, glaubt die Forscherin der spanischen Universität Valencia. Die EU könne sich etwa durch ein inkonsistentes Listen von Personen unglaubwürdig machen.

Vor allem müsse die Union klare Ziele des Regimes festlegen, verlangt Portela. Gehe es darum, das Verhalten der gelisteten Personen zu verändern? Oder eher darum, jemanden lebenslang anzuprangern, bei dem eine Verhaltensänderung gar nicht absehbar sei? Darüber hinaus müssten die Kriterien für Listungen stimmig sein. Es dürfe nicht vorkommen, dass einerseits schwerste Verbrechen und daneben relativ einfache Delikte einen Eintrag nach sich zögen. Drittens, fordert Portela, müsse die Liste am Ende „konsequent gehandhabt“ und dafür genügend „politisches Kapital investiert“ werden. In der derzeitigen Praxis der Listung von Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen seien diese drei Forderungen nicht erfüllt, sagt Portela.
Unterdessen wird das Vorhaben im Rat der EU weiter diskutiert. Deutschland unterstützt den Vorschlag der Niederlande ausdrücklich. Weil Einstimmigkeit benötigt wird, ist die Verabschiedung allerdings derzeit nicht absehbar. Denn laut EU-Kreisen stellt sich mindestens ein Land bisher quer: Ungarn.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2019: Multilaterale Politik: Zank auf der Weltbühne
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