In Entwicklungs- und Schwellenländern werden nur vier Prozent aller Abfälle verwertet. Das Gros wird verbrannt oder wild deponiert, zulasten von Mensch und Umwelt. Deutschland sei bei der fachgerechten Entsorgung und Wiederverwertung von Müll internationaler Vorreiter, betont Müller und hat im Mai die internationale Abfall-Allianz Prevent gestartet. Der Koalitionsvertrag sieht vor, den Auf- und Ausbau von Systemen der Kreislaufwirtschaft mit Entwicklungszusammenarbeit zu unterstützen.
Daher nun eine Allianz, die sich seit 2018 in Arbeitsgruppen formiert hat und auf laufende Projekte des Entwicklungsministeriums (BMZ) im Bereich Abfallentsorgung aufbaut. Zu der Allianz gehören problemgeplagte Länder wie Indonesien und Ghana ebenso wie wissenschaftliche Institute und ein bunter Strauß von Unternehmen. „So entsteht der dringend erforderliche Wissens- und Technologietransfer für eine moderne Abfallwirtschaft“, sagt Müller.
In Indonesien investiert das BMZ seit 2015 in den Bau moderner Mülldeponien, Sortier- und Kompostanlagen. Das Land mit 255 Millionen Einwohnern verfügt über 400 Deponien, die wenigsten befolgen Umweltstandards. Täglich werden in Indonesien derzeit nach offiziellen Schätzungen vom Umweltministerium 190.000 Tonnen Müll produziert, davon mehr als ein Sechstel Plastikreste. Die Weltbank geht davon aus, dass jährlich rund 1,3 Millionen Tonnen Altplastik über Flüsse und Küstengewässer ins Meer gelangen. Der Inselstaat ist damit nach China einer der größten Meeresverschmutzer Ostasiens. Die Regierung will den Kunststoffberg bis zum Jahr 2025 um 70 Prozent reduzieren. Doch die Sammel- und Trennsysteme der Kommunen sind schwach, politische Vorgaben fehlen – ein Hemmschuh auch für Investitionen der Abfallindustrie.
In Ghana unterstützt das BMZ das Recycling von Elektroschrott
Ghanas Umweltministerium wird aus Deutschland mit fünf Millionen Euro dabei unterstützt, auf Afrikas größter Elektroschrotthalde eine umweltgerechte Entsorgung und Wiederverwertung aufzubauen. In Old Fadama, einem armen Viertel der Hauptstadt Accra, schlachten rund 5000 Sammler alte Mobiltelefone, Kühlschränke und Laptops aus. In einer Trainingswerkstatt werden sie über Schäden für Umwelt und Gesundheit aufgeklärt, denn vor Ort geschmolzene Metallteile setzen giftige Dämpfe und Säuren frei. Deutschland finanziert den Bau einer Sammelstelle und den Aufkauf von Elektronikschrott für geregeltes Recycling.
Der Fokus der Allianz liegt auf Altplastik und auf der Müllkrise in Asien. Die Mitglieder wollen gemeinsam die Wiederverwertung von Verpackungsabfällen voranbringen. Dafür tritt neben dem Grünen Punkt die von Bund, KfW und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit der Recyclingbranche getragene Exportförderinitiative RETech Partnership an. Sie hat Erfahrung darin, Technik und Dienstleistungen ins Ausland zu verkaufen und staatliche Stellen beim Ausbau der Abfallwirtschaft zu beraten. Mit dabei ist auch der deutsche Recyclingmarktführer Remondis.
Kritik an der Beteiligung von Nestlé und Coca-Cola
Ein weiteres Ziel der Allianz ist es, die Politik zum Handeln zu drängen und den privaten Recyclingsektor finanziell zu unterstützen. Die dafür zuständige Arbeitsgruppe wird vom Bundesverband für Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) koordiniert. „Ressourcen schonen, Abfall vermeiden“ heißt eine andere AG, die entsprechende Handlungsempfehlungen geben will. Zu ihr gehören so unterschiedliche Firmen wie Nestlé, die Putzmittelmarke Frosch und der Verpacker ALPLA.
Vor allem hinter Namen wie Nestlé oder Coca-Cola setzen Kritiker ein Fragezeichen. Es sei skandalös, dass Müller solchen Weltkonzernen „mit großem Tamtam“ eine Bühne für etwas gebe, das sie längst tun sollten, ätzt die Deutsche Umwelthilfe (DUH).
Die Firmen seien verantwortlich dafür, in Schwellenländern für den Müll, den sie dort verursachen, Strukturen zur Sammlung, zum Recycling und zur Entsorgung mit aufzubauen. Auf der Webseite der Allianz heißt es dazu vage, es sei ein „Werkzeugkasten“ geplant, der den Handel sowie Verpackungs- und Konsumgüterhersteller in die Pflicht nehme. Aus Sicht der DUH, Mitglied im zivilgesellschaftlichen Bündnis Forum Umwelt und Entwicklung, wird die Allianz ihrer Hauptaufgabe damit nicht gerecht: dass Unternehmen ihre Verantwortung gesellschaftlich wahrnehmen – und „nicht nur in Projekten, wo Fördergelder fließen und ein deutscher Bundesminister öffentlichkeitswirksam ein verantwortungsvolles Handeln attestiert“, wie die Umwelthilfe kritisiert.
„Dass sich ausgerechnet Coca-Cola als ein um die Weltmeere und Entwicklungsländer besorgtes Unternehmen darstellen darf, ist ein Skandal“, kritisiert DUH-Experte Thomas Fischer. Der Konzern habe in Norwegen seine Mehrwegflaschen abgeschafft und sei auch in Deutschland dabei, aus dem System auszusteigen. Ebenso scheue der ebenfalls in der Abfall-Allianz vertretene Discounter Lidl Pfandsysteme, wieder nutzbare Mehrwegverpackungen und Recyclingquoten. Lidl habe der DUH mitgeteilt, man werde auch künftig nur auf Einwegplastikflaschen und Getränkedosen setzen. „Ex und hopp ist die einfachere Strategie“, so Fischer. Ohne konsequente Vermeidung und nur mit einigen unterstützten Projekten sei die weltweite Plastikflut aber nicht unter Kontrolle zu bringen.
70 Prozent des jährlich in Indonesien verwendeten Plastiks entfallen auf Essensverpackungen. Umweltschützer in Indonesien fordern mehr Engagement gegen den Müll – aber auch Importverbote. Der Berg importierter Plastikballen hat sich laut indonesischen Medienberichten im Jahr 2018 auf 320.000 Tonnen zum Jahr davor mehr als verdoppelt. Getoppt wird der Inselstaat noch von Malaysia, Thailand und Vietnam, die alle um Milliardengeschäfte mit Recycling buhlen. Malaysia hat nach UN-Angaben 2018 mehr als 700.000 Tonnen Altplastik eingeführt, knapp ein Sechstel davon aus Deutschland (siehe Grafik auf Seite 7).
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