Einer britischen Zeitung zufolge haben Forschungsinstitute während der Ebola-Epidemie 2014 bis 2016 in Westafrika Blutproben unter undurchsichtigen Umständen ins Ausland geschafft. Stimmt das?
Ich kann nur für unser Institut sprechen, aber ich würde sagen, die große Mehrheit hat die Proben korrekt in Zusammenarbeit mit den Ländern außer Landes geschafft. Wichtig ist, dass man unterscheidet zwischen Blutproben aus klinischen Studien und solchen, die während der Diagnostik übrig bleiben. Letztere, sogenannte left-over-Proben, sind der schwierige Fall. Die meisten ausländischen Institute sind ja nicht ins Ausbruchgebiet gegangen, um Proben zu sammeln, sondern um mit mobilen Laboren Patienten zu testen und so die Ausbruchskontrolle zu unterstützen. Die meisten Proben aus der Diagnostik werden vernichtet, aber wir haben gesagt, da ist wertvolles Material dabei, das heben wir auf und bringen es nach Hamburg. Die Länder in Afrika sind ja noch nicht in der Lage, derart gefährliches Material nach internationalen Biosicherheitstandards zu lagern.
Haben die Patienten dem zugestimmt?
Nein, und das ist das Komplizierte. Es gibt keine Einverständniserklärung, da die Proben für die Diagnostik entnommen wurden. Aber für alle Proben, die wir außer Landes geschafft haben, haben wir Forschungsvereinbarungen mit den verantwortlichen Einrichtungen in Sierra Leone und Guinea. Darin ist geregelt, woher die Proben kommen, was wir damit machen wollen und welchen Nutzen die Länder von der Diagnostik in Zusammenarbeit mit uns haben. Und es steht drin, dass die Proben weiter Sierra Leone und Guinea gehören und dorthin zurückgehen, sollten sie einmal in der Lage sein, sie sicher zu lagern. Zudem regeln die Vereinbarungen, wie neues geistiges Eigentum geteilt wird, das aus der Arbeit mit diesen Proben entstehen könnte.
Es geschieht also nichts ohne Zustimmung verantwortlicher Institutionen der Länder, aus denen die Proben stammen?
Genau, die unterschreiben die Vereinbarungen, die ihrerseits von Ethikkomitees in den Ländern geprüft werden. Darüber hinaus müssen wir als deutsches Institut zusätzlich eine Ethikprüfung in Deutschland einholen. Weil keine Zustimmung der Patienten vorliegt, wie das die Helsinki-Deklaration über ethische Grundsätze für die medizinische Forschung verlangt, hat sich das für uns zuständige Ethikkomitee in Hamburg schwer getan mit der Prüfung. Sie beziehen sich dann aber auf eine Klausel in der Helsinki-Deklaration, die Ausnahmen zulässt, wenn die Probe bereits existiert, es faktisch unmöglich ist, das Einverständnis des Patienten nachträglich einzuholen und wenn die Forschung besonders wichtig ist. Diese Bedingungen hat das Komitee als erfüllt angesehen und uns deshalb die Arbeit mit den Proben erlaubt.
Warum fragen Sie nicht jeden Diagnosepatienten vorsorglich nach seinem Einverständnis?
Das ist unmittelbar nach dem Ausbruch einer Epidemie nicht praktikabel, weil alle verfügbaren Kräfte für die Behandlung und Diagnose gebraucht werden. Wir haben das im Nachhinein mit der Weltgesundheitsorganisation und mit Ärzte ohne Grenzen (MSF) diskutiert. MSF, die ja sehr kritisch sind, haben sich überlegt, ob sie für den nächsten Ausbruch ein Formular vorbereiten, das Patienten unterschreiben können. Meines Wissens haben sie das aber nicht umgesetzt, weil es in der Praxis so schwer machbar ist.
Was machen Sie mit den Proben in Hamburg?
Wir können das Virus isolieren und sein Genmaterial untersuchen, um zu sehen, wie es sich im Verlauf der Epidemie verändert hat. Wir können sogenannte Biomarker messen: Das sind Botenstoffe im Blut, die uns etwas über die Art der Erkrankung und die Antwort des Immunsystems sagen. Das Hauptziel ist, die Krankheit zu verstehen: Was passiert in einem Menschen während der Ebolaerkrankung?
Geben Sie die Proben an andere Institute weiter?
Wir haben die Forschungsvereinbarungen mit Sierra Leone und Guinea als Koordinator eines europäischen Konsortiums von Sicherheitslaboren unterschrieben. Nur diese Labore und natürlich unsere Partner in Afrika dürfen mit den Proben arbeiten. Wenn wir die Proben an andere Einrichtungen weitergeben wollen, müssen wir das neu vereinbaren. Wir hatten etwa einen Fall, dass wir bestimmte Untersuchungen im Konsortium nicht machen konnten und Proben deshalb an die National Institutes of Health der USA gegeben haben.
Kommen dafür auch Pharmaunternehmen infrage?
Nein, niemals. Die brauchen übrigens auch weder Blutproben noch daraus isolierte Viren, um Medikamente oder Impfstoffe zu entwickeln. Wir leben im Zeitalter der synthetischen Biologie, das baut man sich alles selbst. Etwas anderes ist es, wenn Viren aus solchen Proben verwendet werden, um einen Impfstoff im Tierversuch zu testen. Kritiker sagen, auch dadurch profitiere der Hersteller, weil der Wert des Produkts dadurch steige. Das ist tatsächlich ein unregulierter Graubereich, in dem ein öffentliches Interesse – der Test eines Impfstoffs – mit dem des Herstellers im Einklang stehen kann. Allerdings kann so ein Test ja auch ergeben, dass ein Medikament oder Impfstoff sich als unwirksam gegen ein neues Virus erweist.
Das Gespräch führte Tillmann Elliesen.
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