In vielen afrikanischen Ländern tragen Kirchen einen Großteil der Gesundheitsversorgung. Die Regierungen unterstützen sie dabei kaum.
Wenn Patienten in afrikanischen Ländern in Gesundheitseinrichtungen gehen, kommen sie meist ohne die passende Medizin und erforderliche Untersuchungen wieder heraus. Notwendige Medikamente sind meistens nicht auf Lager und Diagnosen nicht möglich. Es ist außerdem unwahrscheinlich, dass die Patienten überhaupt einen qualifizierten Arzt zu Gesicht bekommen.
Seit 2014 bin ich Geschäftsführer des Ecumenical Pharmaceutical Network (EPN), einer internationalen christlichen Organisation, die in Afrika von Kirchen betriebene Krankenhäuser beim Zugang zu qualitätsgesicherten Medikamenten unterstützt. Davor habe ich fast zehn Jahre in den USA gearbeitet. Aufgewachsen bin ich in Sambia, wo ich als Apotheker tätig war.
Schon im ersten Monat bei EPN begegneten mir zwei Fälle, die mir vor Augen geführt haben, wie schwierig und wichtig der Zugang zu Medizin ist. In Nairobi brachte mich der Fahrer von EPN zu einem Treffen mit einem unserer Partner, als ich merkte, dass er langsamer fuhr. Vor uns sah ich weitere Autos, die erst langsamer wurden und dann wieder Gas gaben. Als wir näher kamen, sah ich eine schwangere Frau an der Straßenseite liegen. Sie sah aus, als sei sie mindestens im achten Monat schwanger. Ich bat meinen Fahrer anzuhalten, aber er sagte mir, niemand in Nairobi halte mitten im Verkehr an; wir sollten besser weiterfahren. Ich bestand darauf, und sagte ihm, dass ich Mediziner sei und ich einen Eid darauf geschworen hätte, Kranken zu helfen. Ich könne nicht einfach an einer Patientin vorbeifahren, die augenscheinlich Krämpfe habe.
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ist Geschäftsführer des Ecumenical Pharmaceutical Network in Kenia. Das Netzwerk unterstützt kirchliche Krankenhäuser in Afrika. Auf mein Drängen hin stoppte der Fahrer schließlich. Ich eilte zu der Patientin, brachte sie in die stabile Seitenlage und fragte sie, was passiert sei. Sie berichtete mir, dass sie in der Vergangenheit schon öfter epileptische Anfälle gehabt habe. Seit Monaten habe sie aber keine Medizin mehr genommen, weil sie sich die Medikamente nicht leisten könne. Ich schickte sie mit etwas Geld ins Krankenhaus, um sich dort untersuchen zu lassen. Innerhalb einer Woche erlebte ich einen ähnlichen Fall: Diesmal war es ein Mann, der mit Krämpfen am Straßenrand lag. Auch er konnte sich weder die Medizin noch den Krankenhausbesuch leisten.
Diese Vorfälle warfen eine Menge Fragen in meinem Kopf auf. Medikamente gegen Epilepsie stehen schon seit Jahren nicht mehr unter Patentschutz und sind nicht so teuer, dachte ich. Warum würde eine schwangere Frau ihr ungeborenes Kind in Gefahr bringen, indem sie sich keine ärztliche Betreuung sucht oder keine Medikamente nimmt? Dann wurde mir klar, dass sich Tausende Menschen – besonders die Ärmsten – eine medizinische Versorgung oder notwendige Arzneimittel einfach nicht leisten können.
Sambia stärkt die Selbstversorgung
In Sambia werden mehr als 90 Prozent der Medikamente importiert, obwohl lokale Hersteller in der Lage wären, einen Großteil der notwendigen Medizin selbst herzustellen. Das ist das Ergebnis ...
Sambia stärkt die Selbstversorgung
In Sambia werden mehr als 90 Prozent der Medikamente importiert, obwohl lokale Hersteller in der Lage wären, einen Großteil der notwendigen Medizin selbst herzustellen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Medical Transparency Alliance (MeTA) Sambia. Sie hat untersucht, welche Rolle lokale Pharmaproduzenten von 2012 bis 2016 bei der Beschaffung von notwendigen Medikamenten gespielt haben.
Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass die lokalen Firmen in der Lage wären, 345 der insgesamt 384 essenziellen Medikamente auf der nationalen Liste herzustellen. Die für pharmazeutische Produkte zuständige staatliche Regulierungsbehörde ZAMRA (Zambia Medicine Regulatory Authority) habe jedoch weder die Kapazitäten noch entsprechend ausgebildetes Personal, um zu prüfen, ob die lokalen Medikamente entsprechend des GMP-Standards (Good Manufacturing Practice) hergestellt wurden.
Das sambische Gesundheitsministerium ist für die Beschaffung von notwendigen Medikamenten zuständig – mit Hilfe von Kooperationspartnern wie der US-amerikanischen Entwicklungsagentur USAid, der Europäischen Union und dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria. Im Jahr 2016 hat das Ministerium 95 Prozent der für den öffentlichen Sektor benötigten Gesundheitsprodukte importiert, nur fünf Prozent wurden lokal produziert. Es wurden derart viele Medikamente importiert, dass die staatliche Agentur MSL (Medical Storage Limited), die die Präparate lagert, zusätzlichen Lagerraum brauchte – was Kosten von rund 22.000 US-Dollar pro Monat verursachte.
Lokale Pharmafirmen hätten wenig Anreiz weiterzumachen, weil das Gesundheitsministerium internationale Produzenten beim Bestellen bevorzuge, mahnten die Forscher. Lokale Steuern und andere Auflagen machten der lokalen Pharmaindustrie das Leben zusätzlich schwer. Das Ministerium hat sich inzwischen bereiterklärt, die lokale Beschaffung von notwendigen Medikamenten von den bisher fünf Prozent auf mindestens 40 Prozent anzuheben.
Zugleich, so die Forscher, müsse die Regulierungsbehörde ZAMRA gestärkt werden, um die Qualität der Arzneimittel zu prüfen. Wenn die Regierung mehr Medikamente bei lokalen Produzenten bestelle, könnte sie mehr in Qualität und Produktivität investieren sowie zusätzliches Personal einstellen, argumentieren die Forscher. Schließlich ließe sich Geld sparen, weil nicht mehr so viele Präparate importiert und teuer gelagert werden müssten. Tatsächlich hat die sambische Regierung inzwischen einige langfristige Verträge mit lokalen Produzenten geschlossen. Das stärkt lokale Firmen: Heute arbeiten in Sambia sechs Pharmaunternehmen, zum Zeitpunkt der Studie waren es vier. (Shikanda Kawanga/mek)
Das habe ich in vielen afrikanischen Ländern erlebt, in denen ich arbeiten durfte. Kranke reisen oft viele Kilometer auf der Suche nach medizinischer Versorgung und Medikamenten. Zurück kommen sie mit leeren Händen. Manchmal können sie sich nur eine Tagesdosis der wichtigen Medizin leisten in der Hoffnung, dass die Familie, Nachbarn oder Freunden ihnen Geld für weitere Medikamente leihen oder sie Spenden bekommen. Viele ergeben sich auch ihrem Schicksal und ihrer Verzweiflung. Ich habe alle diese persönlichen Geschichten gehört, habe mit Patienten gesprochen und bin oft mit einem gebrochenen Herzen und ratlos zurückgeblieben.
Um ein besseres Verständnis von der Gesundheitsversorgung in afrikanischen Ländern südlich der Sahara zu bekommen, muss man wissen, dass 20 bis 60 Prozent der medizinischen Versorgung von Kirchen geleistet wird, die auch Gesundheitseinrichtungen betreiben. Die meisten dieser Einrichtungen liegen in ländlichen und schwer erreichbaren Gegenden, in denen es keine medizinische Infrastruktur vom Staat gibt.
Die kirchlichen Einrichtungen werden in den meisten Ländern auch von den Regierungen nicht finanziell unterstützt; sie müssen für sich selbst sorgen. Sie sind auf Spendengelder angewiesen, auf Unterstützung von Kirchen im Ausland, etwa in Europa, oder auf Nutzungsgebühren, die sie von den Patienten erheben. Um einen gerechten Zugang zu sicheren Medikamenten zu schaffen, müssen kirchliche Gesundheitszentren stärker in Programmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit eingebunden werden. Schließlich sind sie es, die oft als einzige die sogenannte letzte Meile auf dem Weg zu den Patienten zurücklegen.
Wir müssen Medikamente preisgünstiger machen und die lokale Produktion fördern. Der Zugang zu sicheren und notwendigen Medikamenten und medizinischer Diagnostik sollte für die internationale Gemeinschaft und die Pharmaindustrie oberste Priorität haben. Wir können nicht weiter zusehen, wie Patienten sterben, nur weil für sie Medikamente und Untersuchungen nicht erreichbar sind.
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