Politische Unruhen, Naturkatastrophen oder Überfälle: Bei einem Freiwilligendienst im Ausland kann viel passieren. Auf was müssen sich Freiwillige in Krisensituationen einstellen und wer hilft ihnen? Mit diesen Fragen sahen sich in diesem Jahr junge Frauen und Männer konfrontiert, die mit dem „weltwärts“-Programm nach Nicaragua ausgereist waren. Unter ihnen waren Jule Eckert und Klaas Janowsky, die über das Welthaus Bielefeld einen Freiwilligendienst im Norden des Landes absolvierten.
Am 18. April gingen in Nicaragua landesweit Menschen gegen die Politik von Präsident Daniel Ortega auf die Straße. In den folgenden Tagen und Wochen kam es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und Sicherheitskräften. Dabei starben allein im April 26 Demonstranten. Bis zum Sommer stieg die Zahl der Todesopfer auf über 300.
Anfang April befanden sich rund 120 weltwärts-Freiwillige in Nicaragua. Viele verließen das Land nur wenige Tage nach dem Ausbruch der Unruhen. „Meine Eltern haben mir zum Glück schnell deutlich gemacht, dass ich nach Hause kommen muss“, sagt Jule Eckert. Die 19-Jährige hat in einer Grundschule in der Stadt Estelí gearbeitet. Andere Freiwillige blieben länger im Land. Erst Ende Mai hatten alle deutschen Freiwilligen auf Anordnung des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) Nicaragua verlassen.
Die Organisationen müssen Notfallpläne erstellen
Das BMZ hat für Krisen, in die „weltwärts“-Freiwillige geraten können, einen Leitfaden für alle Entsendeorganisationen (EO) erarbeitet. Zu Krisen zählen demnach Naturkatastrophen, politische Unruhen oder Bürgerkriege sowie individuelle Notlagen wie Überfälle oder traumatische Erfahrungen. Die entsendenden Organisationen sind dazu verpflichtet, anhand des Leitfadens eigene Krisen- und Notfallpläne zu erstellen.
Konkrete Schritte gibt das BMZ nicht vor; Krisensituationen, Einsatzplätze und Partnerorganisationen seien zu verschieden, heißt es auf Anfrage. Die Freiwilligen sind dazu verpflichtet, sich in der Krisenvorsorgeliste „ELEFAND“ des Auswärtigen Amtes zu registrieren. Über die Liste sollen sie in Krisensituationen von den Botschaften informiert werden.
Im Falle von Nicaragua seien aller erforderlichen Maßnahmen nach Plan umgesetzt worden, heißt es beim BMZ. Die Entsendeorganisationen hätten frühzeitig einen ständigen Kontakt zu ihren Partnerorganisationen und den Freiwilligen hergestellt und sie über die aktuelle Lage informiert. Außerdem hätten die Entsender den Freiwilligen mitgeteilt, dass sie jederzeit auf eigenen Wunsch ausreisen können.
Freiwillige fühlten sich überfordert
Für einige Freiwillige war das offensichtlich keine einfache Entscheidung. Sie fühlten sich überfordert. „Uns wurde zwar von Anfang an mitgeteilt, dass wir unseren Freiwilligendienst jederzeit beenden können“, sagt der 19-Jährige Klaas Janowsky, der in Somoto nahe der honduranischen Grenze bei einer Menschenrechtsorganisation gearbeitet hat. Sie hätten aber unterschiedliche Informationen über die Lage vor Ort erhalten und nicht gewusst, welcher Quelle sie vertrauen können.
Eckert und Janowsky kritisieren, dass das Welthaus Bielefeld oder das BMZ die Freiwilligen früher hätten ausfliegen sollen. Eckert erzählt, ihnen sei gesagt worden, dass sie als Volljährige selbst Verantwortung übernehmen könnten. „Wir konnten in dieser Situation aber nicht selbst entscheiden, wie gefährlich die Lage ist und ob wir das Land verlassen müssen oder nicht“, sagt sie.
Sie wünscht „keiner zukünftigen Freiwilligengeneration, in die gleiche Situation zu geraten“. Ihnen sei nie klar gewesen, welche weiteren Schritte geplant gewesen waren, meinen die beiden Freiwilligen. Außerdem missfällt ihnen die kaum vorhandene Nachsorge nach der Rückkehr. Für Eckert ist das „eigentlich das frustrierendste“.
Beim Welthaus Bielefeld kennt man die Vorwürfe. Auch teilen offenbar längst nicht alle Rückkehrer aus Nicaragua die Kritik. Unter ihnen gibt es auch Freiwillige, die gerne länger im Land geblieben wären und die vom BMZ erzwungene Ausreise nicht gutheißen.
Jule Eckert und Klaas Janowsky stehen „weltwärts“ trotz allem positiv gegenüber. „Ich empfehle das Programm weiter“, sagt Janowsky. „Es muss künftig aber genau definierte Krisenstandards geben.“
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