Ein Mittel gegen Rassismus: Entwicklungsminister Gerd Müller nahm die Jubiläumsfeier von weltwärts Mitte September in Berlin zum Anlass, Deutschlands „Weltoffenheit“ zu betonen. Der Einsatz der Freiwilligen helfe nicht nur vor Ort, sondern sei auch eine wichtige Investition in ein offenes und tolerantes Deutschland, erklärte Müller zum Auftakt der Feierlichkeiten vor 1000 Gästen aus 80 Ländern, darunter mehr als 200 Freiwillige.
weltwärts hat seit der Gründung 2008 rund 40.000 junge Menschen zwischen 18 und 28 Jahren gefördert, die über das Programm einen Freiwilligendienst in Afrika, Südamerika oder Asien absolviert haben. Viele engagieren sich nach ihrer Rückkehr in Initiativen oder Vereinen. Das belegt unter anderem eine Studie des Deutschen Evaluierungsinstituts der Entwicklungszusammenarbeit (DEval). Demnach helfe der Dienst den Freiwilligen, sich in die Perspektive der Menschen in ihren Einsatzländern zu versetzen und ihnen mit Empathie zu begegnen.
Allerdings erreicht weltwärts längst nicht alle jungen Deutschen: Über 90 Prozent der Freiwilligen haben Abitur, die Mehrheit ist weiblich. Kritisiert wird die einseitige Auswahl schon lange. Versuche, mehr Auszubildende anzusprechen, sind bislang gescheitert. Andere bemängeln, dass Freiwillige mit großem Elan als „Helfer“ ausreisen, sich dann aber als Handlanger oder Feldarbeiter wiederfinden. Zweifel bestehen auch, ob weltwäts entwicklungspolitisch sinnvoll ist, da die Freiwilligen oft Jobs machen, die eigentlich Arbeitskräfte vor Ort erledigen könnten.
Mehr Sensibilisierung für Sexismus
Theresa Loch, die sich bei der politischen Freiwilligenvertretung (PFIF) engagiert, sieht den Zweck von weltwärts vor allem in der entwicklungspolitischen Bildung. Loch war 2015 in Südafrika, wo sie als Freiwillige Anwohner über die Folgen industrieller Holzplantagen für ihren Lebensraum aufklären sollte. Ihre Motivation für den Aufenthalt: Sie habe vor allem lernen wollen, wie sich das westliche Konsumverhalten auf ein Entwicklungsland auswirkt. Etwa beim Thema Einmalwindeln, die in südafrikanischen Townships zum Statussymbol geworden seien und dort die Abwasserrohre verstopften.
Autorin
Marina Zapf
ist Berlin-Korrespondentin von „welt-sichten“.Seit fünf Jahren können über die Nord-Süd-Komponente von weltwärts junge Menschen aus den Partnerländern nach Deutschland kommen und hier in Schulen, in der Pflege oder bei Umweltschutzprojekten arbeiten. 800 Plätze stehen dafür pro Jahr bereit. 2017 gab es allerdings nur 550 Freiwillige, kritisiert der Grünenpolitiker Ottmar von Holtz. Das Programm versage, weil durch strenge Auflagen nur Visa für junge Menschen aus wohlhabenden Familien gewährt würden: „Wir sollten verhindern, dass die Süd-Nord-Komponente ein reines Förderprogramm für lokale Eliten wird“, so von Holtz. Visa dürften nicht an Zweifeln an Motivation und Rückkehrbereitschaft der Freiwilligen oder deren mangelnden Sprachkenntnissen scheitern.
Kommt nur die Elite zum Zug?
Der Kameruner Valerie Viban hat von anderen Freiwilligen von Visa-Problemen gehört. Für problematischer hält er aber das Auswahlverfahren. Neben ein- bis zweistündigen Interviews wären für die Bewerbung auch Empfehlungsschreiben und internationale Kontakte nötig. „Wenn man die Zahl der Bewerber und der angenommenen Freiwilligen vergleicht, sieht man, dass der harte Wettbewerb den eigentlichen Zweck des Programms untergräbt.“
Viban stammt aus armen Verhältnisse im Kamerun. Er kam 2016 nach seinem Bachelor-Studium über weltwärts nach Deutschland. Heute studiert er Wirtschaft an einer Berliner Hochschule und berät Brot für die Welt in der Süd-Nord-Rekrutierung. Ihm habe geholfen, dass er in Kamerun schon viel für Entwicklungsprojekte gearbeitet habe. In seinem Freiwilligenjahrgang hätten zumindest alle Kameruner einen Universitätsabschluss gehabt. Die Kritik, dass Eliten gefördert werden, sei zutreffend, meint Viban.
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