Das Papier der EKD-Kammer für nachhaltige Entwicklung nimmt die in den Vereinten Nationen beschlossene Agenda 2030, also die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs), als Ausgangspunkt. Deren Ansatz entspreche dem von Kirche und Ökumene, da sie auf eine umfassende Transformation in Industrie- wie Entwicklungsländern abzielten. Die Kammer lobt den ganzheitlichen Blick auf soziale, ökologische und wirtschaftliche Aspekte von Nachhaltigkeit, weist aber auf Zielkonflikte in den SDGs hin, insbesondere zwischen Umweltschutz und der Betonung von Wirtschaftswachstum. Kirchen müssten hier eine Ethik des Genug voranbringen.
Die Kammer prüft dann, was die Bundesregierung und die Kirchen der EKD für die Umsetzung der Agenda 2030 tun sollen und tun – insbesondere auf vier großen Problemfeldern: Hungerbekämpfung und Landwirtschaft, Konsumieren und Produzieren, Ungleichheit sowie Klimaschutz. Sie sagt dazu wenig Neues, aber manches Bekannte recht deutlich. Beim Thema Ungleichheit fordert sie etwa die Kirchen auf, das Gehaltsgefälle unter den eigenen Beschäftigten zu verringern.
Unternehmen in die Pflicht nehmen
Die Regierung dürfe die Verantwortung für nachhaltigen Konsum nicht auf die Verbraucher abschieben, sondern müsse auch die Unternehmen in die Pflicht nehmen und nötige Rahmenbedingungen schaffen. Welche das sind, sagt die Kammer allerdings nicht. Für den Klimaschutz fordert sie einen möglichst schnellen Ausstieg aus der Kohle und ein Umsteuern der Verkehrspolitik Richtung Verkehrsvermeidung, schadstoffarme Antriebe und Förderung des nicht motorisierten Verkehrs. Ein Datum für den Kohleausstieg gibt es freilich nur für die Braunkohle: 2030.
Überhaupt ist bemerkenswert, was fehlt. Beim Thema Hunger und nachhaltige Landwirtschaft wird weder die Agrarindustrie problematisiert noch die Massentierhaltung, der Agrarhandel oder die Spekulation mit agrarischen Rohstoffen. Inwiefern Wachstum mit Klimaschutz vereinbar ist, lässt die Kammer offen. Sie fragt nicht, ob öffentliche Güter aus Gründen des Ressourcenschutzes wie der sozialen Gleichheit Vorrang vor privaten haben sollen. Und sie verschweigt, dass Ziel- und Interessenkonflikte über Schritte zur Nachhaltigkeit stets mit Machtkämpfen verbunden sind, wie zurzeit der Streit um Dieselautos zeigt.
Auf Kontroverses verzichtet
Die Kammer weist den Kirchen eine dreifache Rolle auf dem Weg Richtung Nachhaltigkeit zu: als Mahner gegenüber der Gesellschaft und der Regierung, als Mittler zwischen Interessengruppen und als Motor mit ihrem eigenen Verhalten. In dem Papier tritt der Mahner recht milde auf. Vielleicht hat man auf allzu Kontroverses verzichtet, weil das in der Kammer nicht konsensfähig war. Es dürfte aber auch damit zu tun haben, dass sich das Papier nicht nur an die Kirchen richtet. Der Rat der EKD hat es in Auftrag gegeben und es soll nun auch in einen Dialog mit der Politik einfließen, sagt EKD-Pressesprecher Carsten Splitt.
Im Ergebnis ist das Impulspapier „ein kluger Kommentar zu den SDGs“, sagt Klaus Heidel von der Werkstatt Ökonomie in Heidelberg und vom Ökumenischen Prozess „Umkehr zum Leben“. Es sei aber keine ausreichende Zeitansage angesichts der dramatischen Lage des Erdsystems. Die wird der Weltklimarat wieder hervorheben, wenn er am 8. Oktober seinen Sonderbericht zu den Chancen vorstellt, die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad zu begrenzen: Das ist allenfalls noch möglich, wenn die Staaten sofort drastische Schritte zum Klimaschutz unternehmen.
Gemessen daran wirkt das Impulspapier recht verhalten. Genauso verhalten sind bisher die Reaktionen darauf. Außerhalb der Kirchenkreise hat es kaum Beachtung gefunden. Kein Wunder: Die Kammer legt es nicht darauf an, notwendigen Streit zu entfachen. Sie will Impulse geben, ohne übermäßig Anstoß zu erregen. Steht da der Mittler dem Mahner im Weg?
Neuen Kommentar hinzufügen